Akademie der Kunst und Philosophie | Academy of Arts and Philosophy
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Kurs Nr. 551 Georg Wilhelm Friedrich Hegel I  Philosophie der Wissenschaft, Kunst und Religion

Philosophy of Science, Art and Religion


"Das Geistige allein ist das Wirkliche; es ist das Wesen oder an sich Seinende." - Georg Wilhelm Friedrich Hegel

"Die höchste Bestimmung hat die Kunst, um den Gedanken aussprechen zu können, gemein mit der Religion und Philosophie, sie ist wie diese beiden eine Art und Weise, das Göttliche, die höchsten Forderungen des Geistes auszusprechen und zum Bewusstsein zu bringen." - Georg Wilhelm Friedrich Hegel

"Das Bewusstsein der Identität des Göttlichen und der Menschheit ist Gott als Geist" - Georg Wilhelm Friedrich Hegel

Georg Wilhelm Friedrich Hegel

 

 
 
 
 
 

 

Aus dem Inhalt:

Wie bei Leibniz liegt auch für Hegel (1770-1831) der Anfang der wahren Philosophie bei den Griechen. Früher musste das Auge des Geistes mit Zwang auf das Irdische gerichtet werden, heute ist das Gegenteil der Fall; der Mensch richtet seine Aufmerksamkeit nur noch auf das Irdische und verliert das Wesentliche aus dem Blick. Die heutige "materialistische Phantastik" glaubt nämlich, dass der Mensch hervorgegangen sei aus dem Grobmateriellen, und dass aus diesen die geistigen Fähigkeiten sich herausgebildet haben. "Der Mensch hat seinen Ursprung und Urstand, wie jede wahre Weltbetrachtung immer gezeigt hat, nicht in der Materie, sondern im Geiste." Die griechische Naturphilosophie hat zum Beispiel das Wasser noch ganz anders gesehen als heutige Naturwissenschaftler [1]:

"Das Wasser ist das Element des selbstlosen Gegensatzes, das passive Sein für anderes ... Das Wasser hat somit sein Dasein als Sein für anderes ... Und darum ist es früh die 'Mutter alles Waltenden' genannt worden." [2] - Hegel

"Sonst hatten sie einen Himmel mit weitläufigem Reichtume von Gedanken und Bildern ausgestattet. Von allem, was ist, lag die Bedeutung in dem Lichtfaden, durch den es an den Himmel geknüpft war; an ihm, statt in dieser Gegenwart zu verweilen, glitt der Blick über sie hinaus, zum göttlichen Wesen, zu einer, wenn man so sagen kann, jenseitigen Gegenwart hinauf. Das Auge des Geistes mußte mit Zwang auf das Irdische gerichtet und bei ihm festgehalten werden; und es hat einer langen Zeit bedurft, jene Klarheit, die nur das Überirdische hatte, in die Dumpfheit und Verworrenheit, worin der Sinn des Diesseitigen lag, hineinzuarbeiten, und die Aufmerksamkeit auf das Gegenwärtige als solches, welche Erfahrung genannt wurde, interessant und geltend zu machen. – Jetzt scheint die Not des Gegenteils vorhanden, der Sinn so sehr in das Irdische festgewurzelt, daß es gleicher Gewalt bedarf, ihn darüber zu erheben. Der Geist zeigt sich so arm, daß er sich, wie in der Sandwüste der Wanderer nach einem einfachen Trunk Wasser, nur nach dem dürftigen Gefühle des Göttlichen überhaupt für seine Erquickung zu sehnen scheint. An diesem, woran dem Geiste genügt, ist die Größe seines Verlustes zu ermessen." [3] - Hegel

"Das Geistige allein ist das Wirkliche; es ist das Wesen oder an sich Seinende." [4] - Hegel

Das wird bei den meisten heutigen Wissenschaftlern leider nicht berücksichtigt, weshalb sie auch zu vollkommen falschen Schlussfolgerungen kommen. [5]
"Das reine Selbsterkennen im absoluten Anderssein, dieser Äther als solcher, ist der Grund und Boden der Wissenschaft oder das Wissen im Allgemeinen. Der Anfang der Philosophie macht die Voraussetzung oder Forderung, daß das Bewußtsein sich in diesem Elemente befinde. Aber dieses Element hat seine Vollendung und Durchsichtigkeit selbst nur durch die Bewegung seines Werdens. Es ist die reine Geistigkeit, oder das Allgemeine, das die Weise der einfachen Unmittelbarkeit hat. Weil es die Unmittelbarkeit des Geistes, weil die Substanz überhaupt der Geists ist, ist sie die verklärte Wesenheit, die Reflexion, die selbst einfach oder die Unmittelbarkeit ist, das Sein, das die Reflexion in sich selbst ist. Die Wissenschaft von ihrer Seite verlangt vom Selbstbewußtsein, daß es in diesen Äther sich erhoben habe, um mit ihr und in ihr leben zu können." [6] - Hegel
Worauf kommt es bei dem Studium der Wissenschaft an? Es ist die Anstrengung des Begriffs auf sich zu nehmen. Sie erfordert die Aufmerksamkeit auf ihn als solchen, auf die einfachen Bestimmungen ohne der Gewohnheit des materiellen Denkens zu verfallen:
"Der Gewohnheit, an Vorstellungen fortzulaufen, ist die Unterbrechung derselben durch den Begriff ebenso lästig als dem formalen Denken, das in unwirklichen Gedanken hin und her räsoniert. Jene Gewohnheit ist ein materielles Denken zu nennen, ein zufälliges Bewußtsein, das in den Stoff nur versenkt ist, welchem es daher sauer ankömmt, aus der Materie zugleich sein Selbst rein herauszuheben und bei sich zu sein." [7] - Hegel
Die heutige Wissenschaft ist hauptsächlich auf Mathematik aufgebaut, weshalb das Wissen nur an der Oberfläche bleibt; dies betrifft letztlich auch die Medizin, die heute vorwiegend mechanistisch vorgeht [8]:
"Die Evidenz dieses mangelhaften Erkennens, auf welche die Mathematik stolz ist, und womit sie sich auch gegen die Philosophie brüstet, beruht allein auf der Armut ihres Zwecks und der Mangelhaftigkeit ihres Stoffs, und ist darum von einer Art, die die Philosophie verschmähen muß. – Ihr Zweck oder Begriff ist die Größe. Dies ist gerade das unwesentliche, begrifflose Verhältnis. Die Bewegung des Wissens geht darum auf der Oberfläche vor, berührt nicht die Sache selbst, nicht das Wesen oder den Begriff, und ist deswegen kein Begreifen." [9] - Hegel

"Statt des innern Lebens und der Selbstbewegung seines Daseins wird nun eine solche einfache Bestimmtheit von der Anschauung, das heißt hier dem sinnlichen Wissen, nach einer oberflächlichen Analogie ausgesprochen und diese äußerliche und leere Anwendung der Formel die Konstruktion genannt. – Es ist mit solchem Formalismus derselbe Fall als mit jedem. Wie stumpf müßte der Kopf sein, dem nicht in einer Viertelstunde die Theorie, daß es asthenische, sthenische und indirekt asthenische Krankheiten und ebenso viele Heilplane gebe, beigebracht, und der nicht, da ein solcher Unterricht noch vor kurzem dazu hinreichte, aus einem Routinier in dieser kleinen Zeit in einen theoretischen Arzt verwandelt werden könnte?" [10] - Hegel

Ohne Philosophie sind die Wissenschaftler unfähig etwas brauchbares herauszufinden. "Gesunder Menschenverstand" reicht bei weitem nicht aus; man will ja nicht "eine Rhetorik trivialer Wahrheiten zum besten" geben:
"Sosehr als das räsonierende Verhalten ist dem Studium der Philosophie die nicht räsonierende Einbildung auf ausgemachte Wahrheiten hinderlich, auf welche der Besitzer es nicht nötig zu haben meint zurückzukommen, sondern sie zugrunde legt und sie aussprechen zu können glaubt, sowie durch sie richten und absprechen. Von dieser Seite tut es besonders Not, daß wieder ein ernsthaftes Geschäfte aus dem Philosophieren gemacht werde. Von allen Wissenschaften, Künsten,  Geschicklichkeiten, Handwerken gilt die Überzeugung, daß, um sie zu besitzen, eine vielfache Bemühung des Erlernens und Übens derselben nötig ist. In Ansehung der Philosophie dagegen scheint itzt das Vorurteil zu herrschen, daß, wenn zwar jeder Augen und Finger hat, und wenn er Leder und Werkzeug bekommt, er darum nicht imstande sei, Schuhe zu machen, jeder doch unmittelbar zu philosophieren und die Philosophie zu beurteilen verstehe, weil er den Maßstab an seiner natürlichen Vernunft dazu besitze – als ob er den Maßstab eines Schuhes nicht an seinem Fuße ebenfalls besäße. – Es scheint gerade in den Mangel von Kenntnissen und von Studium der Besitz der Philosophie gesetzt zu werden und diese da aufzuhören, wo jene anfangen. Sie wird häufig für ein formelles inhaltsleeres Wissen gehalten, und es fehlt sehr an der Einsicht, daß, was auch dem Inhalte nach in irgendeiner Kenntnis und Wissenschaft Wahrheit ist, diesen Namen allein dann verdienen kann, wenn es von der Philosophie erzeugt worden; daß die andern Wissenschaften, sie mögen es mit Räsonieren ohne die Philosophie versuchen, soviel sie wollen, ohne sie nicht Leben, Geist, Wahrheit in ihnen zu haben vermögen." [11] - Hegel

"In Ansehung der eigentlichen Philosophie sehen wir für den langen Weg der Bildung, für die ebenso reiche als tiefe Bewegung, durch die der Geist zum Wissen gelangt, die unmittelbare Offenbarung des Göttlichen und den gesunden Menschenverstand, der sich weder mit andrem Wissen noch mit dem eigentlichen Philosophieren bemüht und gebildet hat, sich unmittelbar als ein vollkommenes Äquivalent und so gutes Surrogat ansehen, als etwa die Cichorie ein Surrogat des Coffees zu sein gerühmt wird. Es ist nicht erfreulich, zu bemerken, daß die Unwissenheit und die form- wie geschmacklose Roheit selbst, die unfähig ist, ihr Denken auf einen abstrakten Satz, noch weniger auf den Zusammenhang mehrerer festzuhalten, bald die Freiheit und Toleranz des Denkens, bald aber Genialität zu sein versichert. Die letztere, wie itzt in der Philosophie, grassierte bekanntlich einst ebenso in der Poesie; statt Poesie aber, wenn das Produzieren dieser Genialität einen Sinn hatte, erzeugte es triviale Prose oder, wenn es über diese hinausging, verrückte Reden. So itzt ein natürliches Philosophieren, das sich zu gut für den Begriff und durch dessen Mangel für ein anschauendes und poetisches Denken hält, bringt willkürliche Kombinationen einer durch den Gedanken nur desorganisierten Einbildungskraft zu Markte – Gebilde, die weder Fisch noch Fleisch, weder Poesie noch Philosophie sind." [12] - Hegel

"Dagegen im ruhigern Bette des gesunden Menschenverstandes fortfließend gibt das natürliche Philosophieren eine Rhetorik trivialer Wahrheiten zum besten. Wird ihm die Unbedeutenheit derselben vorgehalten, so versichert es dagegen, daß der Sinn und die Erfüllung in seinem Herzen vorhanden sei, und auch so bei andern vorhanden sein müsse, indem es überhaupt mit der Unschuld des Herzens und der Reinheit des Gewissens und dergleichen letzte Dinge gesagt zu haben meint, wogegen weder Einrede stattfinde noch etwas weiteres gefodert werden könne. Es war aber darum zu tun, daß das Beste nicht im Innern zurückbliebe, sondern aus diesem Schachte zutage gefördert werde. Letzte Wahrheiten jener Art vorzubringen, diese Mühe konnte längst erspart werden, denn sie sind längst etwa im Katechismus, in den Sprichwörtern des Volks u.s.f. zu finden. – Es ist nicht schwer, solche Wahrheiten an ihrer Unbestimmtheit oder Schiefheit zu fassen, oft die gerade entgegengesetzte ihrem Bewußtsein in ihm selbst aufzuzeigen. Es wird, indem es sich aus der Verwirrung, die in ihm angerichtet wird, zu ziehen bemüht, in neue verfallen und wohl zu dem Ausbruche kommen, daß ausgemachtermaßen dem so und so, jenes aber Sophistereien seien – ein Schlagwort des gemeinen Menschenverstandes gegen die gebildete Vernunft, wie den Ausdruck Träumereien die Unwissenheit der Philosophie sich für diese ein für allemal gemerkt hat. – Indem jener sich auf das Gefühl, sein inwendiges Orakel, beruft, ist er gegen den, der nicht übereinstimmt, fertig; er muß erklären, daß er dem weiter nichts zu sagen habe, der nicht dasselbe in sich finde und fühle – mit andern Worten, er tritt die Wurzel der Humanität mit Füßen. Denn die Natur dieser ist, auf die Übereinkunft mit andern zu dringen, und ihre Existenz nur in der zustande gebrachten Gemeinsamkeit der Bewußtsein. Das Widermenschliche,
das Tierische besteht darin, im Gefühle stehenzubleiben und nur durch dieses sich mitteilen zu können." [13] - Hegel

Was ist die Wahrheit und Gewißheit der Realität der sinnlichen Gegenstände, was sind die Eleusischen Mysterien der Ceres? Viele unsere modernen Wissenschaftler verstehen noch nicht einmal ansatzweise, was Materie wirklich ist [14].
"Bei dieser Berufung auf die allgemeine Erfahrung kann es erlaubt sein, die Rücksicht auf das Praktische zu antizipieren. In dieser Rücksicht kann denjenigen, welche jene Wahrheit und Gewißheit der Realität der sinnlichen Gegenstände behaupten, gesagt werden, daß sie in die unterste Schule der Weisheit, nämlich in die alten Eleusischen Mysterien der Ceres und des Bacchus zurückzuweisen sind, und das Geheimnis des Essens des Brotes und des Trinkens des Weines erst zu lernen haben; denn der in diese Geheimnisse Eingeweihte gelangt nicht nur zum Zweifel an dem Sein der sinnlichen Dinge, sondern zur Verzweiflung an ihm; und vollbringt in ihnen teils selbst ihre Nichtigkeit, teils sieht er sie vollbringen. Auch die Tiere sind nicht von dieser Weisheit ausgeschlossen, sondern erweisen sich vielmehr am tiefsten in sie eingeweiht zu sein, denn sie bleiben nicht vor den sinnlichen Dingen als an sich seienden stehen, sondern verzweifelnd an dieser Realität und in der völligen Gewißheit ihrer Nichtigkeit langen sie ohne weiteres zu und zehren sie auf; und die ganze Natur feiert wie sie diese offenbare Mysterien, welche es lehren, was die Wahrheit der sinnlichen Dinge ist." [15] - Hegel
Über das falsche Verständnis von Wissenschaft und worum es eigentlich geht [16]: 
"In diesem innern Wahren, als dem absolut Allgemeinen, welches vom Gegensatze des Allgemeinen und Einzelnen gereinigt und für den Verstand geworden ist, schließt sich erst über der sinnlichen als der erscheinenden Welt nunmehr eine übersinnliche als die wahre Welt auf, über dem verschwindenden Diesseits das bleibende Jenseits; ein An-sich, welches die erste und darum selbst unvollkommene  Erscheinung der Vernunft, oder nur das reine Element ist, worin die Wahrheit ihr Wesen hat. Unser Gegenstand ist hiemit nunmehr der Schluß, welcher zu seinen Extremen, das Innere der Dinge, und den Verstand, und zu seiner Mitte die Erscheinung hat; die Bewegung dieses Schlusses aber gibt die weitere Bestimmung dessen, was der Verstand durch die Mitte hindurch im Innern erblickt, und die Erfahrung, welche er über dieses Verhältnis des Zusammengeschlossenseins macht. Noch ist das Innere reines Jenseits für das Bewußtsein, denn es findet sich selbst in ihm noch nicht; es ist leer, denn es ist nur das Nichts der Erscheinung und positiv das einfache Allgemeine. Diese Weise des Innern zu sein, stimmt unmittelbar denjenigen bei, welche sagen, daß das Innre der Dinge nicht zu erkennen sei; aber der Grund würde anders gefaßt werden müssen. Von diesem Innern, wie es hier unmittelbar ist, ist allerdings keine Kenntnis vorhanden, aber nicht deswegen, weil die Vernunft zu kurzsichtig, oder beschränkt, oder wie man es sonst nennen will, wäre; worüber hier noch nichts bekannt ist, denn so tief sind wir noch nicht eingedrungen; sondern um der einfachen Natur der Sache selbst willen, weil nämlich im Leeren nichts erkannt wird, oder von der andern Seite ausgesprochen, weil es eben als das Jenseits des Bewußtseins bestimmt ist. – Das Resultat ist freilich dasselbe, wenn ein Blinder in den Reichtum der übersinnlichen Welt – wenn sie einen hat, er sei nun eigentümlicher Inhalt derselben, oder das Bewußtsein selbst sei dieser Inhalt – und wenn ein Sehender in die reine Finsternis, oder wenn man will, in das reine Licht, wenn sie nur dieses ist, gestellt wird; der Sehende sieht in seinem reinen Lichte so wenig als in seiner reinen Finsternis, und gerade so viel als der Blinde in der Fülle des Reichtums, der vor ihm läge. Wenn es mit dem Innern und dem Zusammengeschlossensein mit ihm durch die Erscheinung weiter nichts wäre, so bliebe nichts übrig, als sich an die Erscheinung zu halten, das heißt, etwas als wahr zu nehmen, von dem wir wissen, daß es nicht wahr ist; oder damit doch in dem leeren, welches zwar erst als Leerheit von gegenständlichen Dingen geworden, aber, als Leerheit an sich, auch für die Leerheit aller geistigen Verhältnisse und der Unterschiede des Bewußtseins als Bewußtseins genommen werden muß – damit also in diesem so ganz Leeren, welches auch das Heilige genannt wird, doch etwas sei, es mit Träumereien, Erscheinungen, die das Bewußtsein sich selbst erzeugt, zu erfüllen; es müßte sich gefallen lassen, daß so schlecht mit ihm umgegangen wird, denn es wäre keines bessern würdig, indem Träumereien selbst noch besser sind als seine Leerheit. Das Innere oder das übersinnliche Jenseits ist aber entstanden, es kommt aus der Erscheinung her, und sie ist seine Vermittlung; oder die Erscheinung ist sein Wesen, und in der Tat seine Erfüllung. Das Übersinnliche ist das Sinnliche und  Wahrgenommene gesetzt, wie es in Wahrheit ist; die Wahrheit des Sinnlichen und Wahrgenommenen aber ist, Erscheinung zu sein. Das Übersinnliche ist also die Erscheinung als Erscheinung. – Wenn dabei gedacht wird, das Übersinnliche sei also die sinnliche Welt, oder die Welt, wie sie für die unmittelbare sinnliche Gewißheit und Wahrnehmung ist, so ist dies ein verkehrtes Verstehen; denn die Erscheinung ist vielmehr nicht die Welt des sinnlichen Wissens und Wahrnehmens als seiende, sondern sie als aufgehobene oder in Wahrheit als innere gesetzt. Es pflegt gesagt zu werden, das Übersinnliche sei nicht die Erscheinung; dabei wird aber unter der Erscheinung nicht die Erscheinung verstanden, sondern vielmehr die sinnliche Welt, als selbst reelle Wirklichkeit. ... Dies Reich der Gesetze ist zwar die Wahrheit des Verstandes, welche an dem Unterschiede, der in dem Gesetze ist, den Inhalt hat; es ist aber zugleich nur seine erste Wahrheit, und füllt die Erscheinung nicht aus."  [17] - Hegel
Zur Gedankenlosigkeit des Skeptizismus, gegenständliches Denken in der Wissenschaft und Sophisterei [18]:
"Die Bestimmungen im abstrakten Denken aber sind Begriffe der Wissenschaft, in welche sich das inhaltslose Denken ausbreitet, und den Begriff auf eine in der Tat nur äußerliche Weise an das ihm selbstständige Sein, das seinen Inhalt ausmacht, hängt und nur bestimmte Begriffe als geltende hat, es sei, daß sie auch reine Abstraktionen sind. ... Das skeptische Selbstbewußtsein erfährt also in dem Wandel alles dessen, was sich für es befestigen will, seine eigne Freiheit als durch es selbst sich gegeben und erhalten; es ist sich diese Ataraxie des Sich-selbst-denkens, die unwandelbare und wahrhafte Gewißheit seiner selbst. Sie geht nicht aus einem Fremden, das seine vielfache Entwicklung in sich zusammenstürzte, als ein Resultat hervor, welches sein Werden hinter sich hätte; sondern das Bewußtsein selbst ist die absolute dialektische Unruhe, dieses Gemische von sinnlichen und gedachten Vorstellungen, deren Unterschiede zusammenfallen, und deren Gleichheit sich ebenso – denn sie ist selbst die Bestimmtheit gegen das Ungleiche – wieder auflöst. Dies Bewußtsein ist aber eben hierin in der Tat, statt sichselbstgleiches Bewußtsein zu sein, nur eine schlechthin zufällige Verwirrung, der Schwindel einer sich immer erzeugenden Unordnung. Es ist dies für sich selbst; denn es selbst erhält und bringt diese sich bewegende Verwirrung hervor. Es bekennt sich darum auch dazu, es bekennt, ein ganz zufälliges, einzelnes Bewußtsein zu sein – ein Bewußtsein, das empirisch ist, sich nach dem richtet, was keine Realität für es hat, dem gehorcht, was ihm kein Wesen ist, das tut und zur Wirklichkeit bringt, was ihm keine Wahrheit hat. Aber ebenso wie es sich auf diese Weise als einzelnes, zufälliges und in der Tat tierisches Leben, und verlornes Selbstbewußtsein gilt, macht es sich im Gegenteile auch wieder zum allgemeinen sichselbstgleichen; denn es ist die Negativität aller Einzelnheit und alles Unterschieds. Von dieser Sich-selbst-gleichheit oder in ihr selbst vielmehr fällt es wieder in jene Zufälligkeit und Verwirrung zurück, denn eben diese sich bewegende Negativität hat es nur mit Einzelnem zu tun, und treibt sich mit Zufälligem herum. Dies Bewußtsein ist also diese bewußtlose Faselei, von dem einen Extreme des sichselbstgleichen Selbstbewußtseins zum andern des zufälligen, verworrenen, und verwirrenden Bewußtseins hinüber und herüber zu gehen. Es selbst bringt diese beiden Gedanken seiner selbst nicht zusammen; es erkennt seine Freiheit einmal als Erhebung über alle Verwirrung und alle Zufälligkeit des Daseins, und bekennt sich ebenso das andremal wieder als ein Zurückfallen in die Unwesentlichkeit und als ein Herumtreiben in ihr. Es läßt den unwesentlichen Inhalt in seinem Denken  verschwinden, aber eben darin ist es das Bewußtsein eines Unwesentlichen; es spricht das absolute Verschwinden aus, aber das Aussprechen ist, und dies Bewußtsein ist das ausgesprochne Verschwinden; es spricht die Nichtigkeit des Sehens, Hörens, und so fort, aus, und es sieht, hört und so fort, selbst; es spricht die Nichtigkeit der sittlichen Wesenheiten aus, und macht sie selbst zu den Mächten seines Handelns. Sein Tun und seine Worte widersprechen sich immer, und ebenso hat es selbst das gedoppelte widersprechende Bewußtsein der Unwandelbarkeit und Gleichheit, und der völligen Zufälligkeit und Ungleichheit mit sich. Aber es hält diesen Widerspruch seiner selbst auseinander; und verhält sich darüber wie in seiner rein negativen Bewegung überhaupt. Wird ihm die Gleichheit aufgezeigt, so zeigt es die Ungleichheit auf; und indem ihm diese, die es eben ausgesprochen hat, itzt vorgehalten wird, so geht es zum Aufzeigen der Gleichheit über; sein Gerede ist in der Tat ein Gezänke eigensinniger Jungen, deren einer A sagt, wenn der andere B, und wieder B, wenn der andere A, und die sich durch den Widerspruch mit sich selbst die Freude erkaufen, miteinander im Widerspruche zu bleiben."  [19] - Hegel

1. Philosophie der Kunst und Religion

"Der Geist ist Künstler" [20] - Hegel

"Wenn, das Tote bildend zu beseelen,
Mit dem Stoff sich zu vermählen,
Tatenvoll der Genius entbrennt,
Da, da spannte sich des Fleisses Nerve,
Und beharrlich ringend unterwerfe
Der Gedanke sich das Element.
Nur dem Ernst, den keine Mühe bleichet,
Rauscht der Wahrheit tief versteckter Born;
Nur des Meissels schweren Schlag erweichet
Sich des Marmors sprödes Korn.

Aber dringt bis in der Schönheit Sphäre,
Und im Staube bleibt die Schwere
Mit dem Stoff, den sie beherrscht, zurück.
Schlank und leicht, wie aus dem Nichts entsprungen,
Steht das Bild vor dem entzückten Blick.
...
Aber flüchtet aus der Sinne Schranken
In die Freiheit der Gedanken
Und die Furchterscheinung ist entflohn,
Und der ew'ge Abgrund wird sich füllen;
Nehmt die Gottheit auf in euren Willen,
Und sie steigt von ihrem Weltenthron."
(Schiller 1795)

Ähnlich wie Wissenschaft bzw. Philosophie nach Aristoteles mit der Verwunderung anfingen, so nach Hegel auch die Kunst. Die Kunst kann ähnlich wie der Gedanke "einerseits durch sich selbst erfüllt, andererseits aber ebensogut für Gedankenloses zum Mittel gebraucht werden, zum Dienst des Zufälligen und Vergänglichen." Der höchste Inhalt der Kunst ist es, die höchsten Interessen des Geistes zum Bewusstsein zu bringen. "Die menschliche Gestalt ist die notwendige des Geistes, der im sinnlichen Dasein erscheint". Im Gegensatz zum Islam beispielsweise ist in der christlichen Religion der Gott ein ganz unmittelbar Einzelnes in allen Bedingungen des Daseins, kein bloßes Ideal. "Hat man vom Absoluten nur eine abstrakte Vorstellung, die es nur als das Eine bestimmt, fällt die Gestaltung allerdings fort; aber zum Gott als Geist gehört das Erscheinen als Mensch, sonst ist er nicht Geist." Also die Darstellung Christi in seiner Geschichte, seiner Gestalt. Menschlicher Ernst muss sich in Christus ausdrücken, Marias Liebe ist der gelungene Gegenstand der Malerei der Romanik, Gothik und Renaissance. Die Kunst muss frei sein, Gott kann nicht als etwas Abstraktes gedacht werden wie bei den Türken bzw. Muslimen, weshalb sie auch keine echte Kunst haben.  [21]
"Die höchste Bestimmung hat die Kunst, um den Gedanken aussprechen zu können, gemein mit der Religion und Philosophie, sie ist wie diese beiden eine Art und Weise, das Göttliche, die höchsten Forderungen des Geistes auszusprechen und zum Bewusstsein zu bringen." G.W.F. Hegel, Vorlesungen über die Philosophie der Kunst
"Das Gefallen gehört dem Zufälligen an und kann Zweck der Kunst nicht sein. Religiöses, Sittliches, Moralisches sind wohl an-und-für-sich-seiende Gegenstände, und die Kunst, je mehr sie solche Bestimmungen in sich hat, desto höher wird sie sein. ... Und die Kunst als Darstellung dieses Inhalts war Lehrerin der Völker. ... Der Inhalt also, um wahrhaft zu sein, muss konkret sein. Sagen wir von Gott, er sei das einfache Eine, so ist Gott als blosses Abstraktum gedacht und der Kunst unfähig; ... die Türken demnach können keine Kunst haben. Gott aber ist auch nicht dies Abstraktum der leeren Wesenheit, nicht das Abstraktum des unvernünftigen Verstandes."  G.W.F. Hegel, Vorlesungen über die Philosophie der Kunst
Nicht auf Ornamente kommt es an, sondern der "wahrhafte Inhalt ist das Konkrete Geistige, dessen Gestalt die menschliche ist; denn diese allein ist die Gestalt des Geistigen, die Art und Weise wie das Geistige sich kann in zeitlicher Existenz herausbilden." So konnte durch das Christentum und die Antike die Renaissance und später eine im weitesten Sinne romantische Kunst entstehen. [22]

In der Landschaftsmalerei z.B. wird die Natur mit Seele und Geist aufgefasst: "Die Landschaftsmalerei fass die Natur mit Seele und Geist auf und ordnet ihre Gebilde nach dem Zweck, eine Stimmung auszudrücken. Somit darf sie keine bloße Nachahmung der Natur werden und bleiben... Nur die Stimmung des Ganzen ist die Hauptsache. Ihr muss das Übrige untergeordnet werden." Hegel spricht von der "Innigkeit im unmittelbar Gegenwärtigen" wie sie bei niederländischen Malern oder des Correggio auftreten. [23]

"Die vollkommene Kunst bringt die Bestimmung der Gestalt durch unmerkliche Übergänge eines Kolorits in das andere zuwege, so dass die Umrisse keine bestimmten Linien sind und sich, obgleich bestimmt, doch nirgends hervorheben. Bei Gemälden von Albrecht Dürer, von Raffael sieht man die höchsten Wirkungen durch ganz einfache Unterschiede hervorgebracht." G.W.F. Hegel, Vorlesungen über die Philosophie der Kunst
In der Zeit bis zur Renaissance hatte die Kunst nur ein absolutes Werk, "die Ausbreitung des Christentums. Aus diesem sind die Legenden genommen. Das Werk der Weltlichkeit ist die Vertreibung der Mauren, die Kreuzzüge." Dies gilt besonders auch für das Epos: "Kriege müssen geschildert werden vom Abendland gegen das Morgenland, von Christen gegen Mauren." Auch im Cid fechten christliche Könige gegen maurische. Wollte man in dieser Zeit "türkische Macht von europäischer unterscheiden, so ist es darin, dass die europäischen Soldaten das Bewusstsein haben, nur in der Einheit mit anderen zu gelten. Dies Zusammenhalten ist das Wesentliche, Unterscheidende gebildeter Heere." Bei den Barbaren oder Muslimen sind es nur ungebildete Haufen. Der Katholizismus wird in der Göttlichen Commedia des Dante verewigt; die Feinde des Christentums wie die Muslime werden in die Hölle verbannt.   [24]

Heute kann die Erziehung in Europa allerdings wieder heftig kritisiert werden: Durch Unachtsamkeit, Gedankenlosigkeit und Zerstreutheit wird zur Trägheit erzogen und erzeugt "Fortschleicher im alten Geleise". Sowohl Plato und Aristoteles als auch Fichte und Hegel haben die Pädagogik ihrer Zeit scharf kritisiert [25]:

"Kahle Ansicht der Pädagogik unserer Zeit, die einesteils die Eitelkeit nährt, eben das Eitle gewähren lässt und Eitles hervorbringt, andernteils nicht einsieht - die Tiefe der Menschheit nicht erforscht und auch keine Tiefe mehr hervorbringt, sondern in kahlen Kreisen, selbstgefällig und zufrieden sich bewegt.... Diese letzte Spitze der formalen Bildung unserer Zeit ist zugleich die höchste Rohheit, weil sie von der Bildung nur die Form besitzt" [26] - Hegel
Nur in der offenbaren oder vollendeten Religion ist das göttliche Wesen geoffenbart. "Die Hoffnungen und Erwartungen der vorhergehenden Welt drängten sich allein auf diese Offenbarung hin, anzuschauen, was das absolute Wesen ist, und sich selbst in ihm zu finden" Nicht auf die "künstliche Religion" (z.B. Islam) hat die Welt gewartet, sondern auf die geoffenbarte Religion oder das Christentum:
"Dies dass der absolute Geist sich die Gestalt des Selbstbewußtseins an sich und damit auch für sein Bewußtsein gegeben, erscheint nun so, daß es der Glauben der Welt ist, daß der Geist als ein Selbstbewußtsein, d.h. als ein wirklicher Mensch da ist, daß er für die unmittelbare Gewißheit ist, daß das glaubende Bewußtsein diese Göttlichkeit sieht und fühlt und hört. So ist es nicht Einbildung, sondern es ist wirklich an dem. Das Bewußtsein geht dann nicht aus seinem Innern, von dem Gedanken aus, und schließt in sich den Gedanken des Gottes mit dem Dasein zusammen, sondern es geht von dem unmittelbaren gegenwärtigen Dasein aus, und erkennt den Gott in ihm. ... Das Selbst des daseienden Geistes hat dadurch die Form der vollkommnen Unmittelbarkeit; es ist weder als Gedachtes oder Vorgestelltes noch Hervorgebrachtes gesetzt, wie es mit dem unmittelbaren Selbst teils in der natürlichen, teils in der Kunst-Religion der Fall ist. Sondern dieser Gott wird unmittelbar als Selbst, als ein wirklicher einzelner Mensch, sinnlich angeschaut; so nur ist er Selbstbewußtsein..... Diese Menschwerdung des göttlichen Wesens, oder daß es wesentlich und unmittelbar die Gestalt des Selbstbewußtseins hat, ist der einfache Inhalt der absoluten Religion. In ihr wird das Wesen als Geist gewußt, oder sie ist sein Bewußtsein über sich, Geist zu sein. Denn der Geist ist das Wissen seiner selbst in seiner Entäußerung; das Wesen, das die Bewegung ist, in seinem Anderssein die Gleichheit mit sich selbst zu behalten. Dies aber ist die Substanz, insofern sie in ihrer Akzidentalität ebenso in sich reflektiert, nicht dagegen als gegen ein Unwesentliches und somit in einem Fremden sich Befindendes gleichgültig, sondern darin in sich, d.h. insofern sie Subjekt oder Selbst ist. – In dieser Religion ist deswegen das göttliche Wesen geoffenbart." [27] - Hegel

"Die Hoffnungen und Erwartungen der vorhergehenden Welt drängten sich allein auf diese Offenbarung hin, anzuschauen, was das absolute Wesen ist, und sich selbst in ihm zu finden; diese Freude wird dem Selbstbewußtsein und ergreift die ganze Welt, im absoluten Wesen sich zu schauen, denn es ist Geist, es ist die einfache Bewegung jener reinen Momente, die dies selbst ausdrückt, daß das Wesen dadurch erst, daß es als unmittelbares Selbstbewußtsein angeschaut wird, als Geist gewußt wird." [28] - Hegel

Eine rein geschichtliche Betrachtung der offenbaren Religion setzt sie "zu einer geschichtlichen Vorstellung und einem Erbstücke der Tradition herab" und "hierin ist das rein Äußerliche des Glaubens nur beibehalten, und damit als ein erkenntnisloses Totes":
"Durch diese Verarmung des Lebens des Geistes, durch das Wegräumen der Vorstellung der Gemeine und ihres Tuns gegen ihre Vorstellung, entsteht daher statt des Begriffes vielmehr die bloße Äußerlichkeit und Einzelnheit, die geschichtliche Weise der unmittelbaren Erscheinung und die geistlose Erinnerung einer einzelnen gemeinten Gestalt und ihrer Vergangenheit." [29] - Hegel

"Diese Bewegung in sich selbst spricht das absolute Wesen als Geist aus; das absolute Wesen, das nicht als Geist erfaßt wird, ist nur das abstrakte Leere, so wie der Geist, der nicht als diese Bewegung erfaßt wird, nur ein leeres Wort ist. Indem seine Momente in ihrer Reinheit gefaßt werden, sind sie die ruhelosen Begriffe, die nur sind, ihr Gegenteil an sich selbst zu sein und ihre Ruhe im Ganzen zu haben. Aber das Vorstellen der Gemeine ist nicht dies begreifende Denken; sondern hat den Inhalt ohne seine Notwendigkeit, und bringt statt der Form des Begriffes die natürlichen Verhältnisse von Vater und Sohn in das Reich des reinen Bewußtseins. Indem es so im Denken selbst sich vorstellend verhält, ist ihm das Wesen zwar offenbar, aber die Momente desselben treten ihm um dieser synthetischen Vorstellung willen teils selbst auseinander, so daß sie nicht durch ihren eignen Begriff sich aufeinander beziehen, teils tritt es von diesem seinem reinen Gegenstand zurück, bezieht sich nur äußerlich auf ihn; er ist ihm von einem Fremden geoffenbart, und in diesem Gedanken des Geistes erkennt es nicht sich selbst, nicht die Natur des reinen Selbstbewußtseins. Insofern über die Form des Vorstellens und jener Verhältnisse, die aus dem Natürlichen hergenommen sind, und damit besonders auch darüber hinausgegangen werden muß, die Momente der Bewegung, die der Geist ist, für isolierte nichtwankende Substanzen oder Subjekte statt für übergehende Momente zu nehmen, – ist dies Hinausgehen, wie vorhin bei einer andern Seite erinnert wurde, für ein Drängen des Begriffes anzusehen; aber indem es nur Instinkt ist, verkennt es sich, verwirft mit der Form auch den Inhalt, und, was dasselbe ist, setzt ihn zu einer geschichtlichen Vorstellung und einem Erbstücke der Tradition herab; hierin ist das rein Äußerliche des Glaubens nur beibehalten, und damit als ein erkenntnisloses Totes, das Innerliche desselben aber ist verschwunden, weil dies der Begriff wäre, der sich als Begriff weiß." [30] - Hegel

Ohne Geist und offenbare Religion kommt die Wissenschaft nicht weiter. Sie erkennt dann auch keinen grundlegenden Unterschied zwischen Mensch und Tier wie dies in der islamischen Welt und bei den europäischen Materialisten wie Lamettrie, Helvétius, Pauf Heinrich Dietrich Baron von Holbach etc. der Fall ist
"Der Geist in diesem Elemente dem Bewußtsein erscheinend, oder was hier dasselbe ist, darin von ihm hervorgebracht, ist die Wissenschaft. ... Was aber das Dasein dieses Begriffs betrifft, so erscheint in der Zeit und Wirklichkeit die Wissenschaft nicht eher, als bis der Geist zu diesem Bewußtsein über sich gekommen ist." [31] - Hegel

"Der Inhalt der Religion spricht darum früher in der Zeit, als die Wissenschaft, es aus, was der Geist ist, aber diese ist allein sein wahres Wissen von ihm selbst." [32] - Hegel
 

2. Ein Staat, der nur weltlich ist, ist ein schlechter Staat; aber wenn er auf eine Religion gegründet ist, muss es eine Religion der Freiheit sein

Natürlich ist ein Staat, der nur weltlich ist, ein schlechter Staat. Aber wenn er auf eine Religion gegründet ist, muss es eine Religion der Freiheit sein, d.h. er kann nicht auf den Islam gegründet sein, denn dies würde nur Tyrannei und  Fanatismus hervorrufen. Bezeichnend ist, dass es bis heute keinen einzigen islamischen Rechtsstaat weltweit gibt, obwohl einige islamische Religionspädagogen oder Theologen meinen, schon Mohammed habe einen Rechtsstaat gegründet und "Barmherzigkeit" gepredigt; nur verwechseln sie Menschenwürde, Gerechtigkeit und Freiheit mit Denunziantentum, Schutzgelderpressungen und Beschlagnahmungen. Theologen sind nach Hegel auch nicht in der Lage, die Wahrheit in den Religionen herauszufinden. Was übrig bleibt hat mit Geist und Vernunft wenig zu tun, es sind nur "Verstandesgebilde ohne Wahrheit... das falsche Gebilde des Verstandes und der modernen Theologie"  [33]
"Ein schlechter Staat freilich ist nur weltlich und endlich, aber der vernünftige Staat ist unendlich in sich. ... Die Idee, als in der Religion, ist Geist im Innern des Gemüts, aber dieselbe Idee ist es, die sich in dem Staate Weltlichkeit gibt und sich im Wissen und Wollen ein Dasein und eine Wirklichkeit verschafft. Sagt man nun, der Staat müsse auf Religion sich gründen, so kann dies heissen, derselbe solle auf Vernünftigkeit beruhen und aus ihr hervorgehen. Aber dieser Satz kann auch so missverstanden werden, dass die Menschen, deren Geist durch eine unfreie Religion gebunden ist, dadurch zum Gehorsam am geschicktesten seien. Die christliche Religion aber ist die Religion der Freiheit . ... Das Feld der Religion dagegen ist die Innerlichkeit, und so wie der Staat, wenn er auf religiöse Weise forderte, das Recht der Innerlichkeit gefährden würde, so artet die Kirche, die wie ein Staat handelt und Strafen auferlegt, in eine tyrannische Religion aus.... Wenn nun die Religiosität im Staate sich geltend machen wollte, wie sie gewohnt ist auf ihrem Boden zu sein, so würde sie die Organisation des Staates umwerfen. ... Wollte nun diese Totalität alle Beziehungen des Staates ergreifen, so wäre sie Fanatismus... Wenn man sich so ausdrückt: 'den Frommen sei kein Gesetz gegeben', so ist dies weiter nichts als der Ausspruch jenes Fanatismus. Denn die Frömmigkeit, wo sie an die Stelle des Staates tritt, kann das Bestimmte nicht aushalten und zertrümmert es." [34]  - Hegel
Der Ursprung und die Zukunft des freiheitlichen Verfassungsstaates und der westlichen (und russischen) Moderne liegt im Christentum. Die politisch-religiöse Einheit der res publica christiana besteht zwar im Bewusstsein ihrer Zeit fort. Doch durch den Investurstreit ist eine vollständige Einheit von weltlicher und geistlicher Herrschaft abgewiesen und damit eine unentbehrliche Grundlage für die Entstehung des freiheitlichen Verfassungsstaates geschaffen worden. Die Entgötterung oder Entdämonisierung des Staates, die Auflösung der spätantiken Symbiose von Kaiser, Reich und Gottesverehrung, geht auf das Christentum zurück. Dass dies ein Dienst am Staat sei, eine Befreiung des Staates zu sich selbst, das musste der nichtchristlichen Mehrheit freilich wie eine Blasphemie erscheinen. Viele "Heiden" verdächtigten daher die Christen, die in ihren Augen die Sorge um die Götter, die "religio", vernachlässigten, als "atheoi", als Atheisten. Menschenwürde, Freiheit und Gleichheit wären ohne das Christentum undenkbar. Die Würde des Einzelnen wurzelt in der menschlichen Gottesebenbildlichkeit. Das Christentum begreift sie als eine allen Menschen von Natur aus zukommende, ebenso unverdienbare wie unverlierbare Eigenschaft. Deshalb bejaht es im Gegensatz zum Verständnis der Antike die Würde aller, auch die Würde des Sünders, des Ausgestossenen und des Sklaven. Dies ist der christliche Personenbegriff im Gegensatz zum Antiken oder auch islamischen Personenbegriff. Damit sind die Voraussetzungen und Grundlagen dafür geschaffen, dass in einer komplexen, weder kausal verlaufenden noch von Widersprüchen freien Wirkungsgeschichte moderne Freiheits- und Gleichheitsrechte haben entstehen können. Die bedeutungsvollsten Stationen sind Renaissance und Humanismus. Sogar für die Aufklärung ändert sich nichts an dem Umstand, dass zwar die Protagonisten der Aufklärung für die Entgöttlichung der Welt eintreten, die Unverfügbarkeit der Würde des Menschen als Person, seine Gleichheit und persönliche Freiheit selbstverständlich geworden sind, Erben christlicher Weltwirkung sind. [35]
"Nicht allein, aber doch vornehmlich die Philosophie ist es, die jetzt wesentlich orthodox ist; die Sätze, die immer gegolten haben, die Grundwahrheiten des Christentums werden von ihr erhalten und aufbewahrt." - Hegel
In vielen Teilen der einstmals christlichen Welt besteht ein religiöses Vakuum. Überall, wo die christliche Scheidung der Gewalten in Frage gestellt wird, wird der Staat notwendigerweise zum Alleinherrscher, gegen den es keine Berufungsinstanz gibt. Es gehört zum Bild einer "Welt ohne Christentum", dass in ihr mit dem omnipotenten Staat zugleich auch der "Terror antiquus und der panische Angstschrei der Opfer wiederkehren." Das Christentum hat eben nicht nur die spätantike Welt "entgöttert", es hat auch ein neues Bild des Menschen entworfen. Das Bild einer Welt ohne Christentum, bzw. einer orientalischen oder islamischen Welt ("künstliche Religion") hatte schon Hegel erkannt [36]:
"Schwerfällige, weitläufige. abergläubische Zeremonien - Zufälligkeiten persönlicher Gewalt und willkürlichen Herrschens. ... Der orientalische Staat ist daher nur lebendig in seiner Bewegung, welche, da in ihm selbst nichts stet und, was fest ist, versteinert ist, nach aussen geht, ein elementarisches Toben und Verwüsten wird. Die innerliche Ruhe ist ein Privatleben und Versinken in Schwäche und Ermattung." [37] - Hegel 

"In der mohammedanischen Lehre ist bloss die Furcht Gottes; Gott ist zu verehren, der Eine; in dieser Abstraktion ist stehenzubleiben; deshalb ist die mohammedanische Religion Formalismus, der vollkommene Formalismus, der nichts gegen sich gestalten lässt.... Die mohammedanische Religion hasst und verbannt dagegen alles Konkrete; Gott ist der absolute Eine, wogegen der Mensch keinen Zweck, keine Partikularität, keine Eigentümlichkeit für sich behält. Der Mensch, indem er existiert, partikularisiert sich allerdings in seinen Neigungen, Interessen, und diese sind hier um so wilder, ungebändigter, weil die Reflexion ihnen fehlt, aber damit ist auch das vollkommene Gegenteil, alles fallen zu lassen, Gleichgültigkeit gegen jeden Zweck, absoluter Fatalismus, Gleichgültigkeit gegen das Leben.... Daher ist die mohammedanische Religion wesentlich fanatisch." [38] - Hegel

Tatsache ist, dass der bisherige Zustand der Religion und der Welt nicht so bleiben kann wie zuvor. Durch das Christentum ist "ein neues Bewusstsein der Menschen, eine neue Religion vorhanden. Dadurch ist bedingt eine neue Welt, eine neue Wirklichkeit, ein anderer Weltzustand." Nur ungläubige Theologen, Sozzianer, Antitrinitarier und Mohammedaner sind der Ansicht, Christus sei ein Mensch wie Sokrates, dessen Lehre: Liebe deinen Nächsten als dich selbst, den Mittelpunkt ausmacht. Diese Lehren sind aber schon im Alten Testament vorhanden. Neu ist das sogenannte "Fest des großen Idealismus", das von den wirklich großen Idealisten gepriesen wird: Innerhalb der Finsternis lebt das Licht, das leuchtender, lebendiger ist als alle materiellen Lichterscheinungen - das geistige Licht. Das Leben des großen Lichtes in der Finsternis ist der Inhalt des christlichen Weihnachtsfestes, "das in den alten Zeiten in allen Religionen gefeiert wurde und das prophetisch hindeutete auf den großen Geistes-Sonnenhelden, den Christus." Und so ist nicht nur die physische Sonne das Abbild des Christus-Wesens, sondern gerade die wachsende geistige Sonne. Christus steht als König da, "als der Todbesieger, als Erfüllung aller irdischen Entwicklung. Jeder in die Esoterik Eingeweihte empfindet so die Geburt des Gotteskindes, vorgeahnt in den Mysterien schon vor der Zeit Christi und erlebt auch noch nachher. Die Mysterien waren nicht kirchliche Einrichtungen und Schulen im äußeren Sinne, sondern Erziehungs- und zugleich Kultstätten, wo der Mensch Weisheit lernte, Ergebenheit und Glauben, der zugleich Wissen und Erkennen ist." Die Augen des Geistes werden dem Eingeweihten geöffnet. Was die Auserwählten erleben konnten und was die Eingeweihten auch heute noch erleben können, war für die anderen, in den kleinen Mysterien, ein Ideal, das sie alle zu erreichen hoffen durften, der eine bald, der andere später. So wird sich jener Spruch aus dem Johannes-Evangelium umkehren: Und das Licht wird in der Finsternis begriffen werden. [39]
"Wenn man Christus betrachtet wie Sokrates, so betrachtet man ihn wie einen gewöhnlichen Menschen, so wie ihn die Mohammedaner betrachten als einen Gesandten Gottes, wie alle grossen Menschen Gesandte, Boten Gottes im allgemeinen Sinne sind." - Hegel 
Es gibt heute viele Menschen, die die Philosophen als unnütze Herumlungerer ansehen und glauben, dass es gescheiter wäre, irgendein nützliches Handwerk zu treiben. Sie verstehen nicht worum es eigentlich geht. Es kommt darauf an, dass, wenn man das Leben mit den Sinnen betrachtet und mit dem Verstande, der an das Gehirn gebunden ist, dann Dinge in die menschliche Seele hineinschleichen, die ganz offensichtlich gar keinen Zusammenhang haben mit der Außenwelt, welche uns sinnlich umgibt. Man kann das sehr gut sehen bei der Lektüre solcher Bücher, die aus rein materialistischer Grundlage heraus eine befriedigende Weltanschauung zimmern wollen, welche die Welträtsel lösen soll. Dann stellt sich gewöhnlich heraus, dass am Ende dieser Bücher überhaupt erst Fragen auftauchen. Fragen, die heute immer drängender werden, denn ein neues Zeitalter beginnt, das "Zeitalter des spirituellen Denkens." Vier Jahrhunderte hindurch wurde an dem feinen Umbau der Gehirnstruktur gearbeitet, die als "Kraft des Gabriel" bezeichnet wird. "Wir sprechen also von einer Summe von Kräften, die aber dirigiert werden von einer Wesenheit aus der Hierachie der Archangeloi, Gabriel. Wir sagen daher: An dem menschlichen Organismus hat gearbeitet vom 15. Jahrhundert bis zum letzten Drittel des 19. Jahrhunderts die Gabrielkraft. Und weil da eine spirituelle Kraft im besonderen am Physischen gearbeitet hat, so schlief das Verständnis für das Spirituelle dazumal, und dieses Schlafen des Verständnisses für das Spirituelle brachte die großen Triumpfe der Naturwissenschaft hervor." Wenn man es auf die Bhagavad Gita bezieht, kann man auch sagen, "Krishna ist diejenige Wesenheit in der Menschheitsevolution, die spirituell vorbereitend gearbeitet hat durch Jahrhunderte und aber Jahrhunderte hindurch an der Organisation der Menschennatur, die den Menschen fähig machte, vom 7., 8. Jahrhunderte vor Begründung des Christentums an, allmählich in das Zeitalter des Selbstbewusstseins einzutreten." Die Geheimnisse der alten Mysterien waren geschützt durch strenge Regeln. Aber noch mehr als durch strenge Regeln waren diese Geheimnisse geschützt durch gewisse Grundeigenschaften der allgemeinen Menschheit der alten Zeiten, indem ja die allgemeine Menschheit sie nicht hätte verstehen können. Das war ein viel stärkerer Schutz, dieser Unverstand, als irgendwelche äußere Regel. Auch heute, durch gewisse Eigentümlichkeiten der materialistischen Zeit, bleiben gewisse Dinge ein Geheimnis. "Es gibt zum Beispiel nichts Geschützteres als die Fichtesche Philosophie. Nicht dass sie durch strenge Regeln geschützt wird, nicht dass sie Geheimnis geblieben ist, denn die Fichteschen Lehren sind gedruckt, werden auch gelesen; aber verstanden werden sie nicht, sie sind Geheimnisse." Heute wird gerne ein Missverständnis auf ein anderes aufgepfropft statt die Dinge wirklich zu erkennen. "Nehmen wir einmal an, diejenigen, die da Schöpfer gewesen sind jener großen hohen Geistigkeit, welche die Veden durchströmt, den Vedanta und die Philosophie des Shankaracharya, nehmen wir an, diese Geister würden in unserer Zeit wieder erscheinen mit derselben Geistbegabung, mit demselben Scharfsinn, mit dem sie dazumal in der Welt gestanden haben, und sie würden erlebt haben geistige Schöpfungen wie die des Solowjew, Hegel und Fichte." Was würden sie gesagt haben? Das mag paradox klingen und man kann mit Schopenhauer sagen: Es ist nun einmal das Schicksal der armen Wahrheit, dass sie immer paradox werden muss in der Welt, denn sie kann sich nun einmal nicht auf den Thron des Irrtums setzen. Dadurch entsteht folgendes sonderbare, groteske Bild. "Wir denken uns die Vedendichter, wir denken uns die Begründer der Sankhyaphilosophie, ja wir denken uns Shankaracharya selber, in Begeisterung hinaufschauend zu Fichte und anderen Geistern, und daneben denken wir uns eine Anzahl von Leuten heute, welche nicht achten die Geistsubstanz Europas und im Staube liegen vor Shankaracharya und seinen Vorgängern, sich aber nicht kümmern um das, was Hegel, Fichte, Solowjew und andere geleistet haben! ... Dazumal bezweckte alles, was diese Leute mit ihrem Yoga, mit ihrem Sankhya taten, zu einer Höhe zu gelangen, die wir heute haben in den tiefsten Leistungen der heutigen Zeit, die wir heute haben bei Solowjew, Hegel und Fichte. Alles strebte herauf zum ideenhaften Erfassen der Welt."  [40]

Was erführen die Menschen, die die Johannestaufe im Jordan empfingen? Sie sahen, wie das Selbstbewusstsein auf dem Wege ist, immer stärker und stärker zu werden. Daher verstanden sie den Täufer, als er zu ihnen davon sprach: Ändert den Sinn, wandelt nicht nur auf der Krishna-Bahn, nach dem Impuls, der vom Lukas-Jesusknaben aufgenommen worden ist. Man kann diese Bahn auch die Jesus-Bahn nennen. "Und diese bloße Jesus-Bahn ist tatsächlich durch die Jahrhunderte immer weiter und weiter gegangen; denn auf vielen Gebieten des menschlichen Kulturlebens in den Jahrhunderten, die auf die Begründung des Christentums folgten, war nur eine Anlehnung an Jesus vorhanden, nicht an den Christus, der in dem Jesus drei Jahre lebte, von der Johannestaufe an bis zum Mysterium von Golgatha." Gerade in unserer Zeit muss das Verständnis des Christus-Impulses einschlagen: die Christus-Bahn muss zur Jesus-Bahn hinzukommen. Es wäre ein dilettantisches und unfruchtbares Beginnen, wenn jemand das, was im Christentum sich findet, wiederfinden wollte zum Beispiel im Mohammedanertum. "Wer aber aus der Wahrheit heraus leben will, für den ist es ein Greuel, in Zusammenhang zu bringen irgendetwas anderes mit demjenigen Impuls in der Weltgeschichte, der mit dem Mysterium von Golgatha verknüpft ist und für den der Christus-Name aufbewahrt worden ist als das, was er in Wahrheit ist: der Mittelpunkt der Erdenevolution." [41]

Eine "Herrschaft vermittels des Geistlosen" , eine "Knechtschaft überhaupt in allen diesen Formen" und die Sklaverei widersprechen dem Christentum denn sie sind gegen die Vernunft. "Es ist darum zu tun, dass diese Versöhnung auch in dem Weltlichen vollbracht sei... Der Geist aber ist dies, sich zu entwickeln, sich zu unterscheiden bis zur Wirklichkeit" Wenn das christliche Bild des Menschen fehlt, zeigen sich die schädlichen Auswirkungen der Maxime "Wandel durch Handel" besonders deutlich: In Saudi-Arabien arbeiten zehn Millionen ausländische Bürger, und die meisten stammen aus muslimischen Ländern. Wenn sie zum Urlaub oder endgültig zurückkehren, bringen sie nicht nur Ersparnisse mit, sie verlangen von ihren Familien dann meist, sich wie in Saudi-Arabien „islamisch“ zu verhalten. Gebe es dann noch Angebote einer von Saudi-Arabien finanzierten Moschee, steige die Bereitschaft, den saudischen Islam zu übernehmen, sagt Freitag. König Fahd baute nicht nur prächtige Paläste. Er sorgte auch dafür, dass sich Saudi-Arabien in der islamischen Welt fortsetzte. So soll er den Bau von mindestens 1500 Moscheen finanziert haben, von 2000 Grundschulen, 200 höheren Schulen und 210 islamischen Kulturzentren. Eine Druckerei, die seinen Namen trug, druckte 138 Millionen Exemplare des Korans in mehr als 20 Sprachen. In Europa tragen diesen 16 „Akademien“. Das sind Schulen, in denen nach saudischen Lehrplänen unterrichtet wird. Die „König-Fahd-Akademie“ in Bonn geriet als Anziehungspunkt für Extremisten nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 ins Visier des Verfassungsschutzes. Eine Untersuchung ihrer Schulbücher erbrachte ein alarmierendes Ergebnis. Die „Akademie“ wird seither ausgetrocknet. Die Ideologie ist aber in der Welt und wird nicht so schnell aus dieser zu schaffen sein."  [42]

"Beispiele von Entäusserung der Persönlichkeit sind die Sklaverei, Leibeigenschaft, Unfähigkeit Eigentum zu besitzen, die Unfreiheit derselben usf., Entäusserung der intelligenten Vernünftigkeit, Moralität, Sittlichkeit, Religion kommt vor im Aberglauben, in der Anderen eingeräumten Autorität und Vollmacht, mir, was ich für Handlungen begehen solle (wenn einer sich ausdrücklich zum Raube, Morde usf. oder zur Möglichkeit von Verbrechen verdingt), mir, was Gewissenspflicht, religiöse Wahrheit sei usf. zu bestimmen und vorzuschreiben." [43] - Hegel
Im Gegensatz zum nichtheilenden Geist, gibt es den Heiligen oder heilenden Geist. Er schafft nicht nur eine neue Menschengemeinschaft, sondern wird auch die zerrissene Einheit zwischen Gott und Welt, zwischen Geist und Natur wiederherstellen. Er wird ordnend, klärend und gesundend in die "sündenkrank gewordene Natur des Menschen" eingreifen, und durch ihn in die der gesamten Kreatur, "die da wartet auf die Offenbarung der Kinder Gottes." Das heisst, das durchchristete Ichbewusstsein des Menschen soll die Offenbarung des heilenden Geistes in die gefallene Vaterschöpfung hineintragen. Dem menschlichen Bewusstsein fällt damit die Aufgabe des Mittlertums zu, wie sie vom göttlichen Sohn vorgelebt wird. [44]
"Das Bewusstsein der Identität des Göttlichen und der Menschheit ist Gott als Geist" - Hegel
Sozialistische, also weltliche, Regierungen verwandeln in der Regel eine gute Regierung in eine Schlechte, wie zum Beispiel die sozialistische Regierung Spaniens; sie flutet das Land nicht nur mit Muslimen sondern geht auch gegen die christliche Religion im öffentlichen Raum vor. An den Schulen soll es ein neues Pflichtfach "gesellschaftliche und ethische Werte" geben. Der Religionsunterricht werde künftig nicht mehr in die Gesamtnote des Abiturs eingfließen, weil er "keinen akademischen Wert" habe. Ausserdem prüfe die Regierung, ob die sogenannten halbstaatlichen Schulen - die meisten werden von der Kirche unterhalten - weiterhin finanzielle Unterstützung vom Staat bekommen sollen. [45]
 

3. Musik

Hegel hat die Musik "die christlichste aller Künste" genannt. Was diese erinnernd verheißen kann, lässt sich in vielen Werken Monteverdis (Vespro della Beata Vergine), Händels (Messias, Dixit Dominus), Bachs (Weihnachtsoratorium, h-moll-Messe, Passionen), Mozarts (Krönungsmesse), Beethovens (Missa solemnis), Joseph Haydns (Missa Solemnis B-Dur/Schöpfungsmesse 1801 für Soli, Chor und Orchester, Missa in angustiis/Nelson-Messe), Mendelsohn-Bartoldys (Elias),  Wagners (Parsifal), Bruckners, Krzysztof Pendereckis (Lukas-Passion) erleben. Die wortgewaltigen Dominikanerprediger Meister Eckhart (gestorben 1328), Johannes Tauler (gestorben 13 61) und Heinrich Seuse (gestorben 1366) ließen Andachtsbilder entstehen wie das Stabat Mater, auf denen die Mutter den toten Sohn auf ihrem Schoß trägt. Vesperbild wird diese Pietà auch genannt, weil diese Szene am Abend des Karfreitags (versper = Abend) angesetzt wird. Trotz aller Verspottung am Kreuz bleibt Christus der Handelnde. Das klingst mit den siegreichen Worten des "Te Deums" an in der Lukas-Passion oder im Messias von Händel. [46]

Musik und Poesie im Dienste des Messias findet sich in Claudio Monteverdis "Marienvesper (Vespro della Beata Vergine)", Vivaldis und Georg Friedrich Händels "Dixit Dominus" und "Laudate Pueri Dominum". Im Dixit Dominus (Ps 110) wird ein Gerichtstag angekündigt, der unter den Heiden richtet  Das Laudate Pueri (Ps 113) ist ein Lobgesang auf den Herrn "hoch über alle Heiden", der sich der Armen und Niedrigen erbarmt. Im Laetatus sum (Ps 122) freut sich ein Pilger auf dem Weg nach Jerusalem, dem politischen und religiösen Zentrum des Volkes Israel und aller, die im Bund des Herrn sind, dem er Wohlstand und Frieden wünscht. Ohne den Herrn und seinen Segen, so heisst es im Nisi Donimus (Ps 127), ist alle Arbeit und Sorge des Menschen vergeblich. Das Lauda Jerusalem (Ps 147) lobt den Herrn, der einen besonderen Bund mit dem Volk Israel geschlossen hat und sein Volk beschützt. Mit einer Art neutestamentarischem Psalm, dem Magnificat (Lk 1, 46-55) endet die Vesper. Mit der Menschwerdung Jesu wird das Alte Testament abgeschlossen und vollendet. Maria sieht sich auserwählt, preist ihren Gott und nimmt die Rolle als Mutter des Messias an. Die Vesper zeigt so den alten Bund, die besondere Beziehung des Volkes Israel zu seinem Gott, die durch ;Marias Sohn, den ersehnten Messias im Neuen Bund ihr Ziel erreicht. Diese liturgische Intention der Marienvesper wird ergänzt und begleitet durch eine Orientierung des Werkes auf die Jungfrau Maria in den Concerti und der Sonata, die zwischen den Psalmen eingeschoben werden  Zwei Liebeslieder aus dem Hohelied Salomons ("Nigra sum" und "Pulchra es") stehen für die liebevolle Verehrung Mariens, das Duo Seraphim für die Philosophie der Dreieinigkeit. Das mittelalterliche Lied "Audi coelum" preist die Jungfrau und die "Sonata sopra Sancta Maria, ora pro nobis" bittet Maria eindringlich, sich bei Gott für die Menschen einzusetzen. Der frühmittelalterliche Text des Hymnus "Ave Maria stella" stammt aus dem Kloster St. Gallen. Maria wird unter Hinweis auf ihre persönlichen Verdienste wiederum um Hilfe und Vermittlung bei Gott gebeten, den sie abschliessend selbst im Magnifikat preist. [47]

Dass nach Hegel die Musik "die christlichste aller Künste" ist zeigt sich auch an Bachs h-moll Messe. "Dass der Protestant Bach mit der lateinischen Messe der katholischen Liturgie folgte, für die er frühere Kompositionen wiederverwendete, dass er die ersten Teile davon, Kyrie und Gloria, 1733 einem katholischen Machthaber, dem sächsischen Kurfürsten und polnischen König Friedrich August II. widmete, darin liegt eine ökumenische Botschaft." Der russische Organist Alexander Fisejski, der bei der Moskauer Aufführung von Johann Sebastian Bachs h-Moll-Messe den Orgelpart spielt, erinnert sich noch genau daran, was das Stück, als vor fünfzig Jahren Karl Richter mit dem Münchner Bach-Orchester und dem Bach-Chor damit hier gastierte, auslöste. "Alle Professoren hätten im großen Saal des Konservatoriums gesessen, erzählt Fisejski, der damals Student war, Kommilitonen seien hinter den Chor, sogar hinter die Orgelpfeifen geschlüpft, um in Zeiten des offiziösen Atheismus, der bis dahin Aufführungen geistlicher Musik mit gesungenen Texten verbot, einen Schluck künstlerisch-spirituellen Sauerstoffs zu erhaschen. Man hört häufig von Russen, dass Bachs Musik sie dem Glauben zugeführt habe. Auch Fisejski bekennt, dass das damalige Konzert ihn an Herz und Kopf verändert und ihm eröffnet habe, dass die westeuropäische Gregorianik in den gleichen frühchristlichen Psalmweisen wurzele wie auch die russische Volks- und Kirchenmusik. Der heutige Leiter des Münchner Bach-Chors und des Bach-Orchesters, Hansjörg Albrecht, der jetzt die Aufführung dieses krönenden Abschlussalterswerks mit russischen Instrumentalisten initiierte, glaubt, dass man in Russland, wo die Menschen ständiger existentieller Bedrohung ausgesetzt seien, den Grundfragen des Lebens und Sterbens, um die es in dieser Musik gehe, näher komme als im „satten“ Westeuropa. Albrecht, der die besondere Affinität russischer Hörer zu Bach auch damit erklärt, dass die meisten ihrer Volkslieder Mollmelodien hätten, ist hier häufiger Gast. Schon zweimal ist er als Organist durch Sibirien getourt, wo er in zugigen Konzertsälen Bach spielte und als Zugabe über ein russisches Volkslied improvisierte. In Moskau, wo er als Dirigent und Cembalist im Tschaikowsky-Saal der Philharmonie mit dem eigenen Chor und glänzenden europäischen Gesangssolisten auftrat, legte Albrecht Wert darauf, den Musikern des staatlichen Kammerorchesters zwar die präzis sprechende Artikulation historisch informierter Aufführungspraxis nahezubringen, allerdings ohne ihnen dabei die „russische“ Leidenschaft auszutreiben."
Im einleitenden Kyrie tut sich ein großes Kathedralentor auf. Mit Emphase und mächtigen Registern vermag Fisejski nicht nur den anderthalbtausend Zuschauer fassenden Art-déco-Saal der Philharmonie mit seiner schwierigen Akustik zu füllen, er scheint auch die neuesten Konfessionsstreitigkeiten überwinden zu wollen. Das zweistündige monumentale Werk ist nicht zuletzt eine Stilsynthese, Bach kreuzt hier die strenge alte polyphone Manier mit neuesten konzertanten Moden. "Der vorzüglich aufgelegte Münchner Chor intoniert die Kyrie-Fuge mit mustergültiger Diktion und Durchhörbarkeit fast tanzend, gefolgt von dem opernartigen Duett „Christe eleison“, bei dem der schlackenlos vogelgleiche Sopran von Hanna Zumsande und der sublim instrumental geführte Countertenor von David Allsopp mit virtuos sich umschlingenden Koloraturen das Äußerste an Artistik und Süße aufbieten." Albrecht, der stehend zugleich dirigierte und die Solisten am
Cembalo begleitete, wagte deutlich mehr Pathos als derzeit an deutschen Konzertbühnen üblich ist. Auf die jubilierenden Trompeten im Gloria folgen der fahle, ahnungsvoll gedehnte Chor des „Qui tollis“ und dann die von Daniel Ochoa meisterlich elegant gestaltete Bass-Arie „Quoniam tu solus sanctus“, bei der das solistische Jagdhorn daran zu gemahnen schien, dass das Heilige der christlichen Kunst leicht auch Aggressivität auf sich lenkt, zumindest wenn man Ungläubiger oder Muslim ist. Der in die Tiefe steigende „Incarnatus“-Chor, bei dem Albrecht mit dem Tempo gleichsam auch das Licht herunterschaltet, und das von stechenden Violinfiguren untermalte „Crucifixus“ schildern das Leiden und Sterben Christi, gefolgt vom „Resurrexit“, der mit Pauken und Trompeten im Sforzando die Auferstehung schildert. Nach diesem Ereignis wird die Partitur, ob „Confiteor“, ob „Hosanna“, ob „Benedictus“ , von jenen wiegenden Triolen
durchzogen, mit denen Bach oft den Zustand von Harmonie bezeichnet. Die vorletzte Nummer, die innige Altarie „Agnus Dei“, worin der Gläubige sich mit Christi Selbstopfer identifiziert, ist vielleicht der Höhepunkt. Allsopp singt vibratofrei und leuchtend, artikuliert präzis und natürlich, beim „Miserere nobis“ dimmt er seine Stimme zum Beinahe-Flüstern herab, um Dynamik und Farben dann wieder zu steigern. Der getragene, im stile antico gesetzte Schlusschor „Dona nobis pacem“ formuliert die Bitte um Frieden, der der Komponist durch die Wortumstellung im zweiten Fugenthema („pacem dona nobis“) besondere Dringlichkeit verliehen hat. "Albrecht, der hoffentlich noch viel in Russland konzertieren wird, rief nach dem Schlussapplaus ins Publikum, er könne kein Russisch und erklärte auf Englisch, Bachs Messkomposition handle von Leben, Tod und Auferstehung. Doch dass er statt einer Zugabe das finale Friedensgebet ein zweites Mal musizieren ließ, wobei die Solisten in den Chor einstimmten, zeigt, dass er die sorgenschwere Stimmung im Land verstanden hat und teilt." [48]
 

4. Kann Hegel von amerikanischen Philosophen verstanden werden?

Ein Drehbuch für Hegel will Robert B. Brandom geschrieben haben. Der amerikanische Philosoph Robert B. Brandom, einer der originellsten und produktivsten lebenden Systematiker seines Fachs, denkt über derlei Fragen in pointenreichen Texten voll episch ausgreifender Gedankenerzähllaune nach. Er verfolgt dabei ein großes Projekt, dessen zwei einander stützende Teile abschreckend anspruchsvolle Namen haben. Der erste heißt „inferentielle Semantik“, der zweite „normative Pragmatik“. Der eine Ausdruck soll sagen, dass die Bedeutungen von Zeichen (etwa Wörtern) durch die Rollen bestimmt sind, die sie in Folgerungen („Inferenzen“) spielen; der andere postuliert, dass Handeln (auch Sprechen und Schreiben) etwas sei, das dies oder jenes „soll“ und dass man sich dabei deshalb auf Sätze einigen kann wie „wenn dies oder das gälte, müsste man dies oder das tun“. Brandom glaubt, philosophische Begriffe seien dazu da, den Gebrauch anderer Begriffe zu ordnen; sie sind ihm „Metabegriffe“. Eins der größten Bücher der Metabegriffsgeschichte ist seiner Ansicht nach Hegels „Phänomenologie des Geistes“ von 1807. Das hat Brandom jetzt voller Respekt und daher sehr sorgfältig in einem eigenen Buch ausgelegt, nach jahrzehntelanger Arbeit: „A Spirit of Trust“. [49]

Bei Hegel findet er die Worte „Verstand“ und „Vernunft“, das erste soll laut Brandom das darstellende, das zweite das begriffliche Denken sein. Der Verstand folgert statisch („dies ist ein Tisch“), die Vernunft dynamisch (sie vergleicht und unterscheidet). Beide sind nötig für die „recollective rationality“, die Hegel in Brandoms Lesart herstellt. Da heißt „sich erinnern“ das Gleiche wie „verstehen“, wobei im Kofferwort „recollective“ außerdem das „Kollektiv“ steckt, das Brandom mit Hegels „Geist“ identifiziert, der abstrakten Gestalt, deren Schicksal die „Phänomenologie“ erzählt. Hier zeigt sich das geringe Verständnis Brandom für Hegels Geist. [50]

Diese Bestimmung von Hegels „Geist“ als Gesellschaft gehört Brandom natürlich nicht allein. Auch andere amerikanische Philosophen und die Frankfurter Schule haben mit Adorno sich in diesem Sinn geäußert – Substrat des Hegelschen Geistes, so das Haupt der Frankfurter Schule, sei „die gesellschaftliche Arbeit“. Beide, Adorno wie Brandom, sind damit angreifbar für einen Vorwurf, der dem sprichwörtlichen an gewisse Denker ähnelt, sie übersetzten unser Alltagsdenken „statt in den Begriff ins Lateinische“. Man könnte sagen, Brandom übersetze Hegel ins "Inferentialistische" und Adorno ins Kritische bzw. seine linke Ideologie, ohne ihre Entlarvung des Geistes als „das Soziale“ anders zu begründen als
mit ihrem Vertrauen zu eigenen Theorien. Brandom und Adorno haben zwar über Hegel geschrieben, mit Hegel hat das aber nichts zu tun. [51]
 

5. Inszenierung von „Samson et Dalila“

Auch bei Szifrons Inszenierung von „Samson et Dalila“ an der Berliner Staatsoper Unter den Linden, zeigt sich, dass die Musik "die christlichste aller Künste" (Hegel) ist;  der Regisseur hat genau gelesen und zugehört. Er hat bemerkt, dass Camille Saint-Saëns schon den Eröffnungschor der Israeliten, die sich in Gefangenschaft befinden, gestaltet wie eine Choralphantasie für Orgel nach dem Vorbild Johann Sebastian Bachs (Saint-Saëns war Kirchenorganist in Paris). Er hat bemerkt, dass der Männerchor mit dem alten Hebräer Formen der Psalmodie im Gregorianischen Choral aufgreift. Und er hat bemerkt, dass das Libretto im dritten Akt, bei der Demütigung Samsons, auf Jesu Gebet in Gethsemane anspielt: „Mit zu Tode betrübter Seele unterwerfe ich mich dir, Herr!“ [52]

Also antwortet er als Regisseur auf die Christologie in der künstlerischen Aneignung dieses alttestamentlichen, jüdischen Stoffes: Es gibt eine Fußwaschung des Samson, es gibt eine Geißelung durch die Philister, und die Gethsemane-Anspielung klärt sich von selbst. Samsons Weg erscheint als Vorwegnahme der Passion Jesu, aber auch rückwirkend als Betonung der jüdischen Wurzeln des Christentums im Sinne des elften Kapitels im Römerbrief des Paulus. Das war zu Zeiten von Saint-Saëns ein Politikum, und das ist es geblieben bis heute, nämlich überall dort, wo Theologen und Islamwissenschaftler versuchen, das christliche Evangelium von „seinen jüdischen Anteilen zu reinigen“ statt auf die Verfälschungen des Islams hinzuweisen, die von einigen christlichen Theologen und Würdenträgern gar nicht erkannt werden. [53]

Szifron hat mit Elina Garanca als Dalila und Brandon Jovanovich als Samson zwei überragende Sänger, die sich auch darstellerisch auf ein Wagnis einlassen. Garanca stimmt im zweiten Akt das berühmte Duett „Mon cœur s’ouvre à ta voix“ auf dem Rücken liegend an, in einer Unterwerfungs- und Darbietungsgeste. Die bekannteste Musik der Oper, neben dem „Schwan“ aus dem „Karneval der Tiere“ eine der stärksten melodischen Eingebungen von Saint-Saëns, muss in unbequemster Lage absolviert werden, so wie Garanca die Fortsetzung singt, während Jovanovich den Arm um ihren Hals legt. Aber diese Musik wird zum Moment innigster Zweisamkeit der Liebenden. [54]
 

6. Hölderlin und Hegel 

Die Geschichte der Freundschaft zwischen Hölderlin und Hegel, so wie sie zumeist erzählt wird, steht im Zeichen vieler Gegensätze. Der dichterischste aller Dichter und der philosophischste aller Philosophen. Der ständig auf Wanderschaft begriffene Poet und der auf urbane Sesshaftigkeit sowie ruhige Arbeitsumstände bedachte Denker. "Hölderlin erscheint als die Verkörperung der Jugend, deren Genius er in seinen Gedichten lobt. Hegel nannten seine Freunde, schon als er zwanzig war, den „alten Mann“. Hölderlin war von früh an eigentlich ständig verliebt, hat als Hauslehrer erst in Thüringen ein uneheliches Kind mit der Gesellschafterin seiner Dienstherrin, um dann in Frankfurt mit sechsundzwanzig die sein Schicksal bestimmende Liebe zur nächsten Dienstherrin zu durchleben. Auch Hegel wird ein uneheliches Kind haben, aber erst mit siebenunddreißig und von seiner Vermieterin, die er mit dem Kind in Jena zurücklässt. Mit vierzig beschließt er dann, es sei nun wohl Zeit zu heiraten. Als 1798 Hölderlins Roman „Hyperion“ erschien, hatte Hegel noch nichts publiziert als eine anonym herausgekommene Übersetzung von Briefen über die politischen Verhältnisse im Waadtland, und es wird weitere neun Jahre dauern bis zu seinem ersten Buch. Er veröffentlicht es just in dem Moment, in dem Hölderlin verstummt. In seinem gesamten weiteren Werk wird der Name Hölderlins nicht vorkommen. Von Hölderlins Gedichten wiederum ist nicht eines Hegel gewidmet, und Hölderlin war durchaus ein sehr widmender Dichter." [55]

Es war aber durchaus etwas Gemeinsames, was sie etwa zwölf Jahre lang aneinander band. Hölderlin und Hegel lernten sich als Jugendliche unter ebenso bedrückenden wie zum gedanklichen Austausch drängenden Umständen kennen. Von 1788 an waren sie Insassen des Tübinger Stifts, einer Art von protestantischem Bildungskloster als Teil der dortigen Universität. Hier sollten sie zu einem Beruf ausgebildet werden, den beide, wenn nicht an sich, so doch für sich ablehnten: Pfarrer. Weil Pastoren damals nicht nur als Seelsorger verstanden wurden, sondern als Instanz der öffentlichen Verbreitung von Gesinnungen, die dem Staatswohl im Herzogtum Württemberg frommten, war ihre Ausbildung streng reguliert. So empfanden sie sich nicht nur räumlich und durch einen strikten Stundenplan eingepfercht, sondern auch geistig: "Gepredigt wurde ihnen vor allem die sogenannte Tübinger Orthodoxie, eine raffinierte Lehre, wonach so gut wie alles, was man wissen, vor allem aber tun muss, biblisch unter der Voraussetzung ableitbar ist, dass Tugend zu einem Anspruch auf ein ewiges Leben führt. Das wurde den Stiftlern sogar als Folgerung aus der Moral- und Religionsphilosophie Immanuel Kants verkauft. Doch erstens lasen sie Kant anders, und zweitens lasen sie weit über Kant hinaus: Spinoza, Rousseau, Herder, Schiller, Platon, die antiken Tragödien. Ihre Anstrengungen galten dem Versuch, diese unterschiedlichen Gedankenwelten zu vereinen. Hegel,  dem noch unklar ist, was er mit sich anfangen soll, zieht daraus den Auftrag zur Volkserziehung, einer Art säkularem Priestertum im Rahmen einer erst noch zu gründenden, angstfreien, das Herz ansprechenden und den Gemeinsinn für Tugend belebenden Religion. In Paris hatte man 1789 nicht nur ähnliche Ideen, in Paris war es zu einer Revolution gekommen, als deren Ursache damals alle „Ideen“ bezeichneten. Die Aussicht, das gesellschaftliche Leben nicht auf Traditionen, Bajonette und Theologie, sondern auf Vernunft zu gründen, entzündete die Tübinger Gemüter." [56] 

Hölderlin, dem der Dichterberuf im Bild Schillers vorschwebt, fragte als Erster, welcher Art diese Vernunft sein müsse. "Dabei erkennt er eine zweifache Anforderung an sie. Vernunft muss Freiheit und insofern die Fähigkeit beinhalten, unbedingten Forderungen an sich selbst zu folgen. Vernunft ist Selbstgesetzgebung. Sie soll aber auch ein vereinigendes Prinzip sein, eines, das nicht nur auf Individuen, sondern auch auf Gemeinschaften anzuwenden ist. Eine Vernunft, die sich beispielsweise in strikten Gegensatz zu Natur, Sinnlichkeit, Schönheit bringe, sei keine. „Hen kai pan“ – Einheit von allem, gehörte zu den Losungen der Tübinger Studentenzeit von Hölderlin und Hegel. In einer frühen Notiz hält Hegel in diesem Sinne fest, Liebe und Vernunft ähnelten einander, weil es beide Male darum gehe, sich in etwas anderem zu finden. Hölderlin wiederum unternimmt einen Versuch nach dem anderen, schon in der Liebe selbst diesen überwundenen Gegensatz zwischen „sich finden“ und „sich hingeben“ zu bestimmen. In einem berühmt gewordenen Fragment von 1795 – Hölderlin war nach Jena gezogen, um dort bei Johann Gottlieb Fichte zu studieren – heißt es: Selbstbewusstsein ist nur möglich, indem ich mich von mir selbst trenne, aber im Entgegengesetzten als dasselbe erkenne. Allen Trennungen von Subjekt und Objekt gehe also eine ursprüngliche Einheit voraus, die wiederherzustellen das Ideal jedweden Erkennens und Tuns sei." [57] 

Hegel, der nach dem Studium als Hauslehrer in Bern gearbeitet hatte, wurden diese Überlegungen Hölderlins in der gemeinsamen Frankfurter Zeit bekannt. Es ist die Zeit von 1797 bis 1800, in der er erst zum Philosophen wird. Er erkennt durch Hölderlin, wie Forschungen von Dieter Henrich und Christoph Jamme gezeigt haben, dass philosophisches Wissen eine Kraft voraussetzt, die alle Gegensätze verbindet, ohne sie unsichtbar werden zu lassen. Zunächst nennt er diese Kraft „Leben“. Denn Organismen sind Ganzheiten von Teilen, die es nur gibt, weil sie vereinigt sind und an der ganzen „Organisation“ teilhaben. Andererseits aber gehört zum Leben auch die Differenzierung in Teile, die voneinander getrennt sind. Menschen wiederum haben ein individuelles Leben nur durch Beziehung zu anderen, von denen sie sich zugleich unterscheiden. Eine lebendige, selbstbewusste und vernünftige Gemeinschaft, das Ideal der Jugendschriften Hegels, setzt Individuen voraus, die weder in ihr verschwinden noch sich von ihr trennen. Diese Figur, die Einheit von Verbundenheit und Entgegensetzung, findet Hegel auf allen Ebenen des natürlichen, individuellen und gesellschaftlichen Lebens in einer „Unendlichkeit von Gestalten“. Nimmt man aus ihr „das Tote und sich Tötende der Mannigfaltigkeit“ heraus, könne die Gesamtheit dieses unendlichen Lebens auch „Geist“ genannt werden. Hölderlin war gewiss der Philosoph, der Hegel den entscheidenden Anstoß gab, selbst einer zu werden. [58] 
 

7. Georg Wilhelm Friedrich Hegel, der 2020 vor 250 Jahren geboren wurde; Sixtinische Madonna von Raffaello Sanzio; Hegel in Frankfurt

Vor genau zweihundert Jahren feierte Georg Wilhelm Friedrich Hegel am 27. August 1820 seinen fünfzigsten Geburtstag. Er war von Berlin nach Dresden gefahren, um sich die Gemäldegalerie anzusehen. Er wollte nicht nur in der Studierstube über die Kunst nachdenken, sondern ihre ganze Vielfalt in direkter Anschauung kennenlernen. Dabei diente sein Ausflug auch zur Vorbereitung auf das bevorstehende Wintersemester, in dem er, zum ersten Mal in Berlin, eine Vorlesung über die Philosophie der Kunst zu halten gedachte. Sie begann am 26. Oktober 1820, und Hegel hat sie in den folgenden zehn Jahren noch dreimal wiederholt. Er hat, was er vortrug, aber nie in eine schriftliche Form gebracht. Wir kennen nur Mitschriften seiner Studenten. Den Sinn für Schönheit anzusprechen ist jedoch, wie Hegel selbst betont, keinesfalls die „höchste Bestimmung“ der Kunst. "Schön ist auch ein Regenbogen oder eine Rose, und Kant hielt es sogar für ein Zeichen schlechten Geschmacks, Schönheit eher in der Kunst als in der Natur zu suchen. Bei Hegel steht die Kunst, genau umgekehrt, eindeutig über der Natur: nicht, weil sie schön ist, sondern weil sie etwas zu sagen hat." Als Hegel an seinem fünfzigsten Geburtstag Raffaels Sixtinische Madonna bewunderte, sah er darin nicht mehr die Altartafel, als die das Bild diente, bis die Benediktiner-Mönche von Piacenza es 1754 an August III. verkauften. Danach beugte, wie Hegel bemerkt, niemand mehr sein Knie davor. Auch Hegel kam nicht, um vor dem Bild zu beten. Er analysierte die pyramidale Komposition und verglich die Darstellung des Christuskindes mit derjenigen Van Eycks. Aus Hegels Sicht orientiert sich die Kunst, die der traditionellen Verquickung mit Staat und Kirche entronnen ist, am bürgerlichen und christlichen Individuum. Der neue Heilige der Kunst ist der christliche, auf sich selbst gestellte, eigenverantwortliche Mensch. Johann Wolfgang von Goethe formulierte dazu eine Bemerkung, die Hegel später als „ein großes Wort“ zitiert: „Der innere Gehalt des bearbeiteten Gegenstandes ist der Anfang und das Ende der Kunst.“ [59] 

Für Hegel und Hölderlin, wie für viele junge Männer aus weniger begüterten Haushalten bot sich im ausgehenden 18. Jahrhundert oft der Pfarrerberuf an, um sich ein ordentliches Ein- und Auskommen zu sichern, dazu gewährte er ein gewisses Ansehen. Aber manch einem widerstrebte es, in den Kirchendienst zu gehen. Auch Hölderlin und Hegel wehrten sich nach Kräften gegen eine solche Laufbahn. Weshalb sie sich als Hofmeister verdingten, so das damals gebräuchliche Wort für Hauslehrer. "Deren Aufgaben aber oft weit über das Unterrichten hinausgingen. Sie sollten in einem umfassenden Sinn des Wortes Pädagogen sein, Erzieher kleiner Menschen zu Persönlichkeiten, wozu gehörte, am Bett des Zöglings zu wachen, ob dieser auch brav und sittlich die Hände über der Bettdecke gefaltet ließ. Wie der Sohn der Charlotte von Kalb in Waltershausen, wo Friedrich Hölderlin wegen der Überwachung von Keuschheit und kindlichem Schlaf stets übernächtigt war. Es war wohl nicht der einzige Grund, warum er von dort floh und wenige Zeit später in Frankfurt eine Stelle beim Bankier Gontard in Frankfurt am Main annahm. Auch dort blieben emotionale Turbulenzen nicht aus, der zum Dichten berufene, allerdings auf Broterwerb angewiesene Schwabe geriet in Gefühlsverwirrungen und handfeste Auseinandersetzungen mit seinem Arbeitgeber. Er war mit dessen Frau Susette zum Unmut ihres Gatten eine erotische Verbindung eingegangen. Die Demütigung, vom Hausherrn wie ein Domestike behandelt zu werden, ertrug er ohnehin kaum. Er flüchtete nach Homburg. 1796 war Hölderlin in die alte Handelsstadt am Main gezogen. Ein Jahr später folgte ihm sein Studienfreund Hegel, dem er eine Hofmeisterposition im Haus der Weingroßhändler-Familie Gogel am Roßmarkt verschafft hatte. Von größeren Schwierigkeiten, die er in diesem Job bewältigen musste, ist nichts bekannt. Hegel ließ die Sache wohl ruhiger angehen als Hölderlin. Schon im Tübinger Stift hatten dieser, Schelling und andere ihn gerne „den alten Mann“ oder schlicht „Alter“ genannt, weil er den Freuden der akademischen Jugend nur in Maßen frönte und nicht eben für brillante Gedanken bekannt war. Seine Freunde verbreiteten etwas Genialisches, Hegel versprühte eher den Charme des Soliden. Dass er einmal mit seinem philosophischen System den Deutschen Idealismus auf die Spitze treiben und über viele Nachfolger, Schüler, Bewunderer den Gang der Wissenschaften wie der Weltgeschichte nachhaltig beeinflussen sollte, ahnten die Stiftler noch nicht, als sie bei den Gôgen, den Tübinger Weingärtnern, einkehrten und in feucht-fröhlicher Atmosphäre den Geist aufblitzen ließen. Hölderlin und Hegel knüpften in Frankfurt daran an. Das ist gewiss. Aber über diesen Jahren der neuen Gemeinschaftlichkeit, der Auseinandersetzung zwischen den beiden charakterlich sicherlich unterschiedlichen, poetisch-philosophisch aber alsbald sehr nahen Dichtern und Denkern – Hegel war ebenfalls beides, auch wenn seine lyrische Produktion nur wenige Zeilen umfasst – weht ein Schleier. Vieles liegt im Dunkeln. Was die Gelehrten nicht davon abhielt, endlose Spekulationen anzustellen. Hegel jedenfalls war nach Frankfurt ein anderer: ein Philosoph auf dem Weg zum großen Ganzen, das prinzipiell alles umfasst, was der Mensch zu denken in der Lage ist. Die Welt ist so komplex wie der komplexeste Gedanke, den wir von ihr haben können: Hegel lieferte für die „saure Arbeit des Geistes“ das begriffliche Material. In „Phänomenologie“ und „Logik“ führte er eine Kategorie nach der anderen auf." [60] 

Es ist schwerlich vorstellbar, dass die Erfahrungen, die Hegel in Frankfurt sammelte, nicht eingeflossen sind in seine philosophischen Gedanken. Hier erkannte er, dass ein Philosoph der Widersprüchlichkeit des Lebens Ausdruck verleihen musste. Und dass es um die Notwendigkeit ging, sich ihrer nicht zu entledigen. Das hielt ihn aber nicht davon ab irrtümliche Philosophien bzw. Ideologien wie die Kants oder der islamischen Ideologie zu kritisieren und ad absurdum zu führen.  Ausgerechnet Hegel, den viele für einen staubtrockenen Denker halten, der sich in bizarren Abstraktionen verliert, hat am Phänomen der Liebe erkannt, dass es darauf ankommt, geistige Irtümer aufzudecken. Hegel hat in Frankfurt, wahrscheinlich in engem Austausch mit Hölderlin, entdeckt, dass die christliche Religion zu einem die Menschen umfassenden Band wird, eine freudige Angelegenheit und kein bitterer Zwang. "Vordergründig sind es vor allem theologische Fragen, die ihn beschäftigen. Aber es geht um mehr. Um die Vereinigung von Idee und Realität, von Gefühl und Begriff, von Individuum und Gesellschaft. Die Vokabeln, derer sich Hegel bedient, sind nicht die unseren. Die Probleme, an denen er sich abarbeitet, schon. Womöglich lag es am stadtbürgerlichen Selbstvertrauen, das Hegel in Frankfurt kennenlernte, dass er sich veranlasst sah, das Augenmerk auf den Einzelnen, den Privatmenschen zu lenken und damit auf die gesellschaftliche Wirklichkeit und die Gegenwart. Das hatte ihn zuvor nicht interessiert. Vielleicht war es diese Stadt, die ihm das Romantische ausgetrieben hat: das reale Hier und Jetzt zu denken, statt sich in weltabgewandten Sphären zu tummeln, empfand er nun als wichtige Aufgabe. Er interessierte sich für Politik und Wirtschaft, betrieb auf diesen Gebieten Studien, versuchte, stichhaltige Meinungen auf diesen Gebieten zu gewinnen. Realistisch ist auch sein Liebesbegriff: Nicht in schwärmerische Höhen verliert sich der Liebende, dem es tatsächlich um eine Verbindung geht." Im Nachhinein empfand Hegel die Frankfurter Episode als „Wendepunkt des Lebens“, als „Hypochondrie“, an der er nach eigener Aussage „ein paar Jahre bis zur Entkräftung“ gelitten hatte, bis er „eine neue Sicherheit seiner selbst“ gewann. Er hat in Frankfurt bis auf eine Flugschrift keinen Text vollendet, es sind aus der Zeit von 1797 bis 1800 ausschließlich Fragmente überliefert, sie sind Zeugnisse einer Suchbewegung, und sie sind weit entfernt von der stilistischen Eigenart seiner großen Werke, wirken aber auf heutige Leser nicht weniger kryptisch. Einer Jugendfreundin schrieb er, er werde „hier in Frankfurt wieder etwas mehr der Welt gleich“ und wolle „mit den Wölfen heulen“. Manche freilich sprechen von der großen Lebenskrise, in die Hegel in Frankfurt geraten sei. Immerhin hielt er es auf seiner Hofmeisterstelle aus. Nach dem Tod seines Vaters 1799 erbte Hegel genug, um eine akademische Laufbahn einzuschlagen. Er wählte Jena als Ausgangspunkt einer Karriere, die ihn später über Heidelberg nach Berlin führen sollte. Hegels Werk, wie das der anderen Isealisten Fichte und Schelling, handelt wesentlich von einem hohen Gut: Freiheit, ein Begriff, der wohl bei christlichen Philosophen, nicht aber bei islamischen Pseudo-Philosophen zu finden ist. [61] 
 

8. Eleusis

Große Repräsentanten unseres Geisteslebens wie Hegel fühlten sich oft unverstanden und einsam, und sehnten sich in jene großen Zeiten unendlicher Vergangenheit zurück, in denen der Mensch noch den Umgang mit den Geistern und Göttern selbst gepflegt hatte. Das wußten sie, und in der Stille der Nacht sehnte sich mancher zurück in die Mysterien von Eleusis. Sie waren der letzte wunderbare Ausläufer der griechischen Mysterien. "Ein tiefer deutscher Denker, einer
von denen, die sich in die Rätsel des Daseins versenkt hatten, gibt uns die Stimmung wieder, die ihn überkam, wenn seine Gedanken zurückgingen in die alten Stätten griechischer Weisheit - die Stimmung eines Geisteswanderers. Es war Hegel, jener mächtige Meister des Gedankens, der denkend die Bilder zu erfassen suchte, welche einst die Schüler der Mysterien geschaut hatten. ... So spricht der sinnende Denker, der tief hineinschaut in die Weltenrätsel, der das alles in eigener Brust nur mit Gedanken erfassen kann und nun zurückblickt zu den Mysterien von Eleusis. ... So ruft dieser Denker nach den Geistern, die in Wahrheit den Schülern von Eleusis erschienen sind. Dann ruft er sie selbst, die Göttin Ceres, die im Mittelpunkte der Mysterien wirkte. Denn Ceres ist nicht nur die Göttin der irdischen Fruchtbarkeit, sondern auch die Befruchterin des geistigen Lebens. ... Es war in der neueren Zeit notwendig, dass die Macht des Gedankens
auf der einen Seite in einer ideellen, auf der anderen Seite in einer mehr materialistischen Weise zum Ausdruck kam. Auch Hegel verstand man nicht mehr, und er gehört zu den verschollenen Geistern der Menschheit überhaupt. Alles wurde in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts von dem Geiste des Materialismus durchdrungen, und auch heute herrscht in den weitesten Kreisen dieser Geist. Wenn er die Oberhand behalten sollte, so würde er die Menschheit in ihren  Kulturerscheinungen vollständig zur Versteinerung führen." Von ihm stammt die Dichtung Eleusis, die er an Hölderlin sandte:
 
"Um mich, in mir wohnt Ruhe. Der geschäft'gen Menschen
Nie müde Sorge schläft. Sie geben Freiheit
Und Muße mir. Dank dir, du meine
Befreierin, o Nacht! - Mit weißem Nebelflor
Umzieht der Mond die ungewissen Grenzen
Der fernen Hügel. Freundlich blinkt
Der helle Streif des Sees herüber.
Des Tags langweil'gen Lärmen fernt Erinnerung,
Als lägen Jahre zwischen ihm und jetzt.

Dein Bild, Geliebter, tritt vor mich,
Und der entfloh'nen Tage Lust. Doch bald weicht sie
Des Wiedersehens süßern Hoffnungen.
Schon malt sich mir der langersehnten, feurigen
Umarmung Szene; dann der Fragen, des geheimem,
Des wechselseitigen Ausspähens Szene,
Was hier an Haltung, Ausdruck, Sinnesart am Freund
Sich seit der Zeit geändert; - der Gewißheit Wonne,
Des alten Bundes Treue, fester, reifer noch zu finden,
Des Bundes, den kein Eid besiegelte:
Der freien Wahrheit nur zu leben,
Frieden mit der Satzung,
Die Meinung und Empfindung regelt, nie, nie einzugehn!
Nun unterhandelt mit der trägen Wirklichkeit der Wunsch,
Der über Berge, Flüsse leicht mich zu dir trug.
Doch ihren Zwist verkündet bald ein Seufzer und mit ihm
Entflieht der süßen Phantasien Traum.

Mein' Aug' erhebt sich zu des ew'gen Himmels Wölbung,
Zu dir, o glänzendes Gestirn der Nacht!
Und aller Wünsche, aller Hoffnungen
Vergessen strömt aus deiner Ewigkeit herab.
Der Sinn verliert sich in dem Anschau'n,
Was mein ich nannte, schwindet.
Ich gebe mich dem Unermesslichen dahin.
Ich bin in ihm, bin alles, bin nur es.
Dem wiederkehrenden Gedanken fremdet,
Ihm graut vor dem Unendlichen, und staunend fasst
Er dieses Anschau'ns Tiefe nicht.
Dem Sinne nähert Phantasie das Ewige,
Vermählt es mit Gestalt. - Willkommen, ihr,
Erhab'ne Geister, hohe Schatten,
Von deren Stirne die Vollendung strahlt!
Erschrecket nicht. Ich fühl', es ist auch meine Heimat,
Der Glanz, der Ernst, der euch umfließt.
 

Ha! Sprängen jetzt die Pforten deines Heiligtums,
O Ceres, die du in Eleusis throntest!
Begeist'rungstrunken fühlt' ich jetzt
Die Schauer deiner Nähe,
Verstände deine Offenbarungen,
Ich deutete der Bilder hohen Sinn, vernähme
Die Hymnen bei der Götter Mahle,
Die hohen Sprüche ihres Rats.

Doch deine Hallen sind verstummt, o Göttin!
Geflohen ist der Götter Kreis in den Olymp
Zurück von den entheiligten Altären,
Geflohen von der entweihten Menschheit Grab
Der Unschuld Genius, der her sie zauberte.
Die Weisheit deiner Priester schweigt.
Kein Ton der heilgen Weih'n
Hat sich zu uns gerettet, und vergebens sucht
Der Forscher Neugier mehr, als Liebe
Zur Weisheit. Sie besitzen die Sucher und verachten dich.
Um sie zu meistern, graben sie nach Worten,
In die dein hoher Sinn gepräget war'.
Vergebens! Etwa Staub und Asche nur erhaschen sie,
Worein dein Leben ihnen ewig nimmer wiederkehrt.
Doch unter Moder und Entseeltem auch gefielen sich
Die Ewigtoten, die Genügsamen! - Umsonst, es blieb
Kein Zeichen deiner Feste, keines Bildes Spur.
Dem Sohn der Weihe war der hohen Lehren Fülle,
Des unaussprechlichen Gefühles Tiefe viel zu heilig,
Als dass er trock'ne Zeichen ihrer würdigte.
Schon der Gedanke fasst die Seele nicht,
Die, außer Zeit und Raum in Ahnung der Unendlichkeit
Versunken, sich vergißt und wieder zum Bewußtsein nun
Erwacht. Wer gar davon zu andern sprechen wollte,
Spräch er mit Engelzungen, fühlt der Worte Armut.
Ihm graut, das Heilige so klein gedacht,
Durch sie so klein gemacht zu haben, dass die Red' ihm Sünde deucht,
Und dass er bebend sich den Mund verschließt.
Was der Geweihte sich so selbst verbot, verbot ein weises
Gesetz den ärmern Geistern, das nicht kund zu tun,
Was sie in heil'ger Nacht gesehn, gehört, gefühlt,
Daß nicht den Bessern selbst auch ihres Unfugs Lärm
In seiner Andacht stört', ihr hohler Wörterkram
Ihn auf das Heilge selbst erzürnen machte, dieses nicht
So in den Kot getreten würde, daß man dem
Gedächtnis gar es anvertraute, daß es nicht
Zum Spielzeug und zur Ware des Sophisten,
Die er obolenweis verkaufte,
Zu des beredten Heuchlers Mantel, oder gar
Zur Rute schon des frohen Knaben, und so leer
Am Ende würde, dass es nur im Widerhall
Von fremden Zungen seines Lebens Wurzeln hätte.
Es trugen geizig deine Söhne, Göttin,
Nicht deine Ehr' auf Gass' und Markt, verwahrten sie
Im innern Heiligtum der Brust.
Drum lebtest du auf ihrem Munde nicht.
Ihr Leben ehrte dich. In ihren Taten lebst du noch.

Auch diese Nacht vernahm ich, heil'ge Gottheit, dich.
Dich offenbart oft mir auch deiner Kinder Leben,
Dich ahn' ich oft als Seele ihrer Taten I
Du bist der hohe Sinn, der treue Glauben,
Der, einer Gottheit, wenn auch alles untergeht, nicht wankt."

Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Eleusis
 
 


 
 

Anmerkungen

[1] Vgl. Kurse Nr. 551 ; zu der Der Mensch hat seinen Ursprung, wie jede wahre Weltbetrachtung immer gezeigt hat, nicht in der Materie, sondern im Geiste vgl. Steiner, R.; Das Hereinwirken geistiger Wesenheiten in den Menschen. Dreizehn Vorträge 1908. GA 102, Ib. 1908/2009; vgl Kurse Nr. 551 G.W.F. Hegel - Philosophie der Wissenschaft, Kunst und Religion, Nr. 660 G.W.F. Hegel II, Nr. 518 Philosophie der Natur, Nr. 567 Gottfried Wilhelm Leibniz, Nr. 565 John Scottus Eriugena, Nr. 566 Meister Eckhart. Akademie der Kunst und Philosophie
[2] Ib.
[3] Ib.
[4]  Ib.
[5] Vgl. Kurse Nr. 567 Gottfried Wilhelm Leibniz, Nr. 533 Aristoteles - Philosophy of Sciences, Nr. 659 Wissenschaftslehre, Ib.
[6] Siehe Anm. 1
[7]  Ib.
[8] Vgl. Anm. 5 und Zentrum für natürliche Bienentherapie 2021: Mechanistische Sichtweise in der Medizin. Pressemitteilung; , Ders. 2021: Mechanistische Medizin III, Ib. sowie Kurse Nr. 660 G.W.F. Hegel II, Nr. 659 Wissenschaftslehre, Ib.
[9] Siehe Anm. 1
[10]  Ib.
[11]  Ib.
[12]  Ib.
[13]  Ib.
[14] Vgl. Anm. 5
[15] Vgl. Anm. 1
[16] Vgl. Anm. 1 und 5
[17]  Ib.
[18]  Ib.
[19]  Ib.
[20] G.W.F. Hegel, Vorlesungen über die Philosophie der Kunst, Berlin, 1823; Vgl. Kurse Nr. 551 G.W.F. Hegel I, Nr. 660 G.W.F. Hegel II, Nr. 664 Philosophie der Kunst, Nr. 568 Nikolaus von Kues / Nicolaus Cusanus / Nicolai de Cusa, Nr. 564 St. Augustinus, Nr. 566 Meister Eckhart. Ib.
[21]  Ib.; zu: Ähnlich wie Wissenschaft bzw. Philosophie nach Aristoteles mit der Verwunderung anfingen, so nach Hegel auch die Kunst. Die Kunst kann ähnlich wie der Gedanke "einerseits durch sich selbst erfüllt, andererseits aber ebensogut für Gedankenloses zum Mittel gebraucht werden, zum Dienst des Zufälligen und Vergänglichen." Der höchste Inhalt der Kunst ist es, die höchsten Interessen des Geistes zum Bewusstsein zu bringen. "Die menschliche Gestalt ist die notwendige des Geistes, der im sinnlichen Dasein erscheint". Im Gegensatz zum Islam beispielsweise ist in der christlichen Religion der Gott ein ganz unmittelbar Einzelnes in allen Bedingungen des Daseins, kein bloßes Ideal. "Hat man vom Absoluten nur eine abstrakte Vorstellung, die es nur als das Eine bestimmt, fällt die Gestaltung allerdings fort; aber zum Gott als Geist gehört das Erscheinen als Mensch, sonst ist er nicht Geist." Also die Darstellung Christi in seiner Geschichte, seiner Gestalt. Menschlicher Ernst muss sich in Christus ausdrücken, Marias Liebe ist der gelungene Gegenstand der Malerei der Romanik, Gothik und Renaissance, vgl. Anm. 20 und 59 
[22]  Ib.
[23]  Ib.
[24]  Ib.; zu: In der Zeit bis zur Renaissance hatte die Kunst nur ein absolutes Werk, "die Ausbreitung des Christentums. Aus diesem sind die Legenden genommen. Das Werk der Weltlichkeit ist die Vertreibung der Mauren, die Kreuzzüge." Dies gilt besonders auch für das Epos: "Kriege müssen geschildert werden vom Abendland gegen das Morgenland, von Christen gegen Mauren." Wollte man in dieser Zeit "türkische Macht von europäischer unterscheiden, so ist es darin, dass die europäischen Soldaten das Bewusstsein haben, nur in der Einheit mit anderen zu gelten. Dies Zusammenhalten ist das Wesentliche, Unterscheidende gebildeter Heere." Bei den Barbaren oder Muslimen sind es nur ungebildete Haufen, vgl. Anm. 20 ff. und Kurse Nr. 637 Lope de Vega I, Nr. 637 Lope de Vega II, Nr. 641 Lope de Vega III, Nr. 643 Lope de Vega IV, Nr. 558 Calderón de la Barca, Nr. 648 Calderón de la Barca II, Nr. 650 Calderón de la Barca III, Nr. 651 Calderón de la Barca IV, Nr. 563 Miguel de Cervantes I, Nr. 645 Miguel de Cervantes II, Nr. 562 Dante Alighieri, Ib.
[25] Vgl. Anm. 1 und 5 sowie Kurse Nr. 531 Plato, Nr. 511 Johann Gottlieb Fichte I, Nr. 658 Johann Gottlieb Fichte II, Nr. 659 Wissenschaftslehre, Ib.
[26]  Ib.
[27] Vgl. Anm. 20 sowie Nr. 509 Philosophie der Freiheit, Nr. 510 Schelling: Philosophie der Offenbarung, Nr. 513 Schelling: Philosophie der Mythologie. Ib.
[28]  Ib.
[29]  Ib.
[30]  Ib.
[31]  Ib.
[32]  Ib.
[33] Vgl. Anm. 20 sowie Kurse Nr. 660 G.W.F. Hegel II, Nr. 512 Novalis, Nr. 568 Nikolaus von Kues / Nicolaus Cusanus / Nicolai de Cusa, Nr. 544 Staats- und Rechtslehre. Ib.
[34]  Ib.
[35] Uhle, A. 2015: Unser Lebenselexier. Ursprung und Zukunft des freiheitlichen Verfassungsstaates und der westlichen Moderne: Das Christentum. Frankfurter Allgemeine Zeitung, Nr. 299, p. 7; vgl. auch Science Review Letters 2016, 15, Nr. 664 und Frankfurter Allgemeine Zeitung 201, Nr. 296, p. 6 sowie Kurse Nr. 568 Nikolaus von Kues / Nicolaus Cusanus / Nicolai de Cusa, Nr. 588 Johann Wilhelm Ludwig Gleim, Nr. 554 Friedrich Hölderlin, , Nr. 544 Staats- und Rechtslehre, Nr. 564 St. Augustinus, Nr. 545 Sittenlehre. Ib.
[36] Vgl. Anm. 20 und 35
[37]  Ib.
[38]  Ib.
[39] Vgl. Anm. 27 sowie Kurse Nr. 567 Gottfried Wilhelm Leibniz, Nr. 325 Kunst und Architektur der Gothik, Nr. 320 Romanische Kunst und Architektur, Nr. 326 Kunst und Architektur der Renaissance, Nr. 512 Novalis, Nr. 553 Friedrich Schiller, Nr. 588 Johann Wilhelm Ludwig Gleim, Nr. 554 Friedrich Hölderlin, Nr. 552 William Shakespeare, Nr. 511 J.G.Fichte, Nr. 505 Arthur Schopenhauer, Nr. 506 Wladimir Solowjew. Ib.; zum Fest des großen Idealismus vgl. Steiner, R.: Das christliche Mysterium. GA 97, Notizen von 31 Vorträgen 1907/1907, Ib. 1998; Ders.: Die o. Grundlagen der Bhagavad Gita. GA 146. Neun Vorträge 1913, Ib. 1993
[40]  Ib.
[41]  Ib.
[42] Vgl. Anm. 33 sowie Frankfurter Allgemeine Zeitung 2015, Nr. 276, p. 2
[43] Vgl. Anm. 20
[44] Röm. 8, 15-22; siehe Anm. 27 
[45] Science Review Letters 2018, 17, Nr. 941 und Christ in der Gegenwart 2018, 70, Nr. 31 sowie FAZ 2018 Nr. 252; zur Musik und Poesie im Dienste des Messias und Meister Eckhart vgl. Anm. 46 ff., 52 ff. und Kurse Nr. 505 Arthur Schopenhauer, Nr. 564 St. Ambrosius, Nr. 566 Meister Eckhart, Nr. 582 St.Thomas Aquinas, Sth II-II, Nr. 583 St.Thomas Aquinas, Sth. III, Nr. 512 Novalis. Ib.
[46] Ib.
[47] Ib.
[48] Ib.
[49] Science Review Letters 2019, 18, Nr. 1053 und FAZ 2019, Nr. 225; zu amerikanischen Philosophen und zur Frankfurter Schule vgl. Kurse Nr. 533 Aristoteles - Philosophy of Sciences, Nr. 505 Arthur Schopenhauer II, Ib.
[50] Ib.
[51] Ib.
[52] Science Review Letters 2019, 18, Nr. 1073 und FAZ 2019, Nr. 275 
[53] Ib.; zu: Also antwortet er als Regisseur auf die Christologie in der künstlerischen Aneignung dieses alttestamentlichen, jüdischen Stoffes: Es gibt eine Fußwaschung des Samson, es gibt eine Geißelung durch die Philister, und die Gethsemane-Anspielung klärt sich von selbst. Samsons Weg erscheint als Vorwegnahme der Passion Jesu, aber auch rückwirkend als Betonung der jüdischen Wurzeln des Christentums im Sinne des elften Kapitels im Römerbrief des Paulus. Das war zu Zeiten von Saint-Saëns ein Politikum, und das ist es geblieben bis heute, nämlich überall dort, wo Theologen und Islamwissenschaftler versuchen, das christliche Evangelium von „seinen jüdischen Anteilen zu reinigen“ statt auf die Verfälschungen des Islams hinzuweisen, die von einigen christlichen Theologen und Würdenträgern gar nicht erkannt werden, vgl. Anm. 46 ff., 52 ff. und Kurse Nr. 511 J.G.Fichte, Nr. 612 St. Johannes Chrysostomos, Ib.
[54] Ib.
[55] Science Review Letters 2020, 19, Nr. 1103 und FAZ 2020 Nr. 68; Sandra Kegel 2020: Die Entdeckung des Taunus. Zweimal ist Hölderlin in die kleine Residenzstadt Homburg geflohen – vor Liebesunglück, beruflicher Unsicherheit und anderen Geistern, die ihn quälten. Frankfurt a.M.; Tilman Spreckelsen 2020: Vergebliche Suche unter den Barbaren. Dahinwelken, schweigen: Hölderlins Frankfurter Zeit im Haus des Bankiers Gontard begann glücklich und endete in einer Katastrophe. Dazwischen liegt eine große Liebe. Ib.; „Gestalten der Welt. Frankfurt 1796–1798“. Hölderlin Texturen, Bd. 3. Herausgegeben von der Hölderlin-Gesellschaft Tübingen, in Zusammenarbeit mit der Deutschen Schillergesellschaft Marbach. Tübingen 1996. Vgl. Kurs Nr. 554 Friedrich Hölderlin II, Ib.
[56] Ib.; zu: So empfanden sie sich nicht nur räumlich und durch einen strikten Stundenplan eingepfercht, sondern auch geistig: "Gepredigt wurde ihnen vor allem die sogenannte Tübinger Orthodoxie, eine raffinierte Lehre, wonach so gut wie alles, was man wissen, vor allem aber tun muss, biblisch unter der Voraussetzung ableitbar ist, dass Tugend zu einem Anspruch auf ein ewiges Leben führt. Das wurde den Stiftlern sogar als Folgerung aus der Moral- und Religionsphilosophie Immanuel Kants verkauft. Doch erstens lasen sie Kant anders, und zweitens lasen sie weit über Kant hinaus: Spinoza, Rousseau, Herder, Schiller, Platon, die antiken Tragödien. Ihre Anstrengungen galten dem Versuch,
diese unterschiedlichen Gedankenwelten zu vereinen. Hegel,  dem noch unklar ist, was er mit sich anfangen soll, zieht daraus den Auftrag zur Volkserziehung, einer Art säkularem Priestertum im Rahmen einer erst noch zu gründenden, angstfreien, das Herz ansprechenden und den Gemeinsinn für Tugend belebenden Religion. In Paris hatte man 1789 nicht nur ähnliche Ideen, in Paris war es zu einer Revolution gekommen, als deren Ursache damals alle „Ideen“ bezeichneten. Die Aussicht, das gesellschaftliche Leben nicht auf Traditionen, Bajonette und Theologie, sondern auf Vernunft zu gründen, entzündete die Tübinger Gemüter." Vgl. Anm. 55 ff und Kurse Nr. 551 G.W.F. Hegel, Nr. 554 Friedrich Hölderlin I-II, Nr. 553 Friedrich Schiller I-II, Nr. 531 Plato, Aristoteles & Co. Ib.
[57] Ib.
[58] Ib.
[59] Zu: Vor genau zweihundert Jahren feierte Georg Wilhelm Friedrich Hegel am 27. August 1820 seinen fünfzigsten Geburtstag. Er war von Berlin nach Dresden gefahren, um sich die Gemäldegalerie anzusehen. Er wollte nicht nur in der Studierstube über die Kunst nachdenken, sondern ihre ganze Vielfalt in direkter Anschauung kennenlernen. Dabei diente sein Ausflug auch zur Vorbereitung auf das bevorstehende Wintersemester, in dem er, zum ersten Mal in Berlin, eine Vorlesung über die Philosophie der Kunst zu halten gedachte. Sie begann am 26. Oktober 1820, und Hegel hat sie in den folgenden zehn Jahren noch dreimal wiederholt. Er hat, was er vortrug, aber nie in eine schriftliche Form gebracht. Wir kennen nur Mitschriften seiner Studenten. Den Sinn für Schönheit anzusprechen ist jedoch, wie Hegel selbst betont, keinesfalls die „höchste Bestimmung“ der Kunst. "Schön ist auch ein Regenbogen oder eine Rose, und Kant hielt es sogar für ein Zeichen schlechten Geschmacks, Schönheit eher in der Kunst als in der Natur zu suchen. Bei Hegel steht die Kunst, genau umgekehrt, eindeutig über der Natur: nicht, weil sie schön ist, sondern weil sie etwas zu sagen hat." Als Hegel an seinem fünfzigsten Geburtstag Raffaels Sixtinische Madonna bewunderte, sah er darin nicht mehr die Altartafel, als die das Bild diente, bis die Benediktiner-Mönche von Piacenza es 1754 an August III. verkauften. Danach beugte, wie Hegel bemerkt, niemand mehr sein Knie davor. Auch Hegel kam nicht, um vor dem Bild zu beten. Er analysierte die pyramidale Komposition und verglich die Darstellung des Christuskindes mit derjenigen Van Eycks. Aus Hegels Sicht orientiert sich die Kunst, die der traditionellen Verquickung mit Staat und Kirche entronnen ist, am bürgerlichen und christlichen Individuum. Der neue Heilige der Kunst ist der christliche, auf sich selbst gestellte, eigenverantwortliche Mensch. Johann Wolfgang von Goethe formulierte dazu eine Bemerkung, die Hegel später als „ein großes Wort“ zitiert: „Der innere Gehalt des bearbeiteten Gegenstandes ist der Anfang und das Ende der Kunst.“ Vgl. Science Review Letters 2020, 19, Nr. 1148 und FAZ 2020 Nr. 199, Nr. 204 sowie Anm. 20 ff. und Kurse Nr. 511 J.G.Fichte, Nr. 509 Schelling, Philosophie der Freiheit, Nr. 554 Friedrich Hölderlin I-II, Johann Wolfgang von Goethe I-II, Ib.
[60] Ib.
[61] Ib.
[62] Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Eleusis; vgl. Kurs Nr. 683 Wissenschaftslehre V, Ib.
 
 




Correggio, Madonna di San Girolamo, 1528
 
 
 


Raffael (Raffaello Sanzio da Urbino) Sixtinische Madonna 
 


An 1890 sketch of Hegel
 
 
 

Georg Wilhelm Friedrich Hegel
Akademie der Kunst und Philosophie / Academy of Arts and Philosophy
DI. M. Thiele, President and international Coordinator
M. Thiele College of Beetherapy / Academy of Arts and Philosophy / Sciences

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Zur Philosophie und Kulturgeschichte von Byzanz, des Mittelalters, der Schule von Chartres, der Renaissance, des Barock, der Aufklärung, des Idealismus, der Romantik vgl. Kurse:Nr. 551 G.W.F. Hegel I, Nr. 660 G.W.F. Hegel II, Nr. 511 Johann Gottlieb Fichte I, Nr. 658 Johann Gottlieb Fichte II, Nr. 509 F.W.J. Schelling I, Nr. 510 F.W.J. Schelling II, Nr. 513 F.W.J. Schelling III, Nr. 505 Arthur Schopenhauer I-II, Nr. 663 Arthur Schopenhauer III, Nr. 531 Platon, Nr. 533 Aristoteles, Nr. 623 Johann Ludwig Wilhelm Müller, Nr. 020 Johann Wolfgang von Goethe I-II, Nr. 673 Johann Wolfgang von Goethe III, Nr. 553 Friedrich Schiller I-II, Nr. 675 Friedrich Schiller III, Nr. 554 Friedrich Hölderlin I-II, Nr. 512 Novalis I, Nr. 671 Novalis II, Nr. 677 Jean Paul, Nr. 667 Romantische Kunst und Philosophie I, Nr. 669 Romantische Kunst und Philosophie II, Nr. 630 Johann Ludwig Tieck, Nr. 631 Adelbert von Chamisso, Nr. 567 Gottfried Wilhelm Leibniz, Nr. 665 Molière, Nr. 622 Victor Hugo I, Nr. 674 Victor Hugo II, Nr. 629 Voltaire I-II, Nr. 679 Laurence Sterne, Nr. 621 Lord Byron I, Nr. 676 Lord Byron II, Nr. 628 Percy Bysshe Shelly, Nr. 561 Sir Walter Scott, Nr. 555 Angelus Silesius, Nr. 634 Hans Sachs, Nr. 619 Franz Werfel, Nr. 680 Nikos Kazantzakis, Nr. 588 Johann Wilhelm Ludwig Gleim, Nr. 550 Fjodor M. Dostojewskij I-II, Nr. 506 Wladimir Solowjew, Nr. 664 Philosophie der Kunst, Nr. 661 Philosophie der Geschichte, Nr. 659 Wissenschaftslehre I, Nr. 666 Wissenschaftslehre II, Nr. 681 Wissenschaftslehre III, Nr. 682 Wissenschaftslehre IV, Nr. 683 Wissenschaftslehre V, Nr. 545 Sittenlehre I-II, Nr. 614 Sittenlehre III, Nr. 544 Staats- und Rechtslehre I-II, Nr. 641 Staats- und Rechtslehre III, Nr. 644 Staats- und Rechtslehre IV, Nr. 655 Staats- und Rechtslehre V, Nr. 618 St. Ephraim der Syrer, Nr. 617 St. Cyrill von Alexandrien, Nr. 616 St. Gregor von Nazianz, Nr. 613 St. Gregor von Nyssa, Nr. 612 St. Johannes Chrysostomos, Nr. 611 St. Johannes Cassianus, Nr. 627 St. Basilius der Große, Nr. 625 Theodorus Abucara, Nr. 624 Byzantinische Wissenschaft / Philosophie, Nr. 653 St. Cyprianus, Nr. 609 St. Athanasius der Große, Nr. 605 St. Irenaeus von Lyon, Nr. 604 St. Hildegard von Bingen, Nr. 600 St. Johannes von Damaskus, Nr. 599 St. Petrus Venerabilis, Nr. 581 Bernhard von Chartres, Nr. 580 Wilhelm von Conches, Nr. 578 Pierre Abaelard, Nr. 574 Johannes von Salisbury, Nr. 577 Petrus Lombardus, Nr. 576 Gilbert de la Porrée / Gilbert von Poitiers, Nr. 565 Johannes Scotus Eriugena, Nr. 575 Thierry de Chartres, Nr. 571 Alanus ab Insulis, Nr. 572 Anselm von Canterbury, Nr. 570 St. Hilarius von Poitiers, Nr. 568 Nicolaus Cusanus I, Nr. 568 Nicolaus Cusanus II, Nr. 568 Nicolaus Cusanus III, Nr. 564 St. Ambrosius, Nr. 564 St. Augustinus I, Nr. 601 St. Augustinus II, Nr. 654 St. Augustinus III, Nr. 579 St. Albertus Magnus, Nr. 500 St. Thomas von Aquin I, ScG, Nr. 501 St.Thomas von Aquin II,  Sth I., Nr. 502 St.Thomas von Aquin III, Sth. I-II, Nr. 582 St.Thomas von Aquin IV, Sth II-II, Nr. 583 St.Thomas von Aquin V, Sth. III, Nr. 566 Meister Eckhart, Nr. 562 Dante Alighieri I-II, Nr. 672 Dante Alighieri III, Nr. 558 Calderón de la Barca, Nr. 648 Calderón de la Barca II, Nr. 650 Calderón de la Barca III, Nr. 651 Calderón de la Barca IV, Nr. 563 Miguel de Cervantes I, Nr. 645 Miguel de Cervantes II, Nr. 637 Lope de Vega I, Nr. 638 Lope de Vega II, Nr. 642 Lope de Vega III, Nr. 643 Lope de Vega IV, Nr. 652 Juan Ruiz de Alarcón, Nr. 632 Ginés Pérez de Hita, Nr. 633 Luis Vaz de Camões, Nr. 678 François Rabelais, Nr. 557 Ludovico Ariosto I-II, Nr. 668 Ludovico Ariosto III, Nr. 556 Torquato Tasso, Nr. 552 William Shakespeare I-II, Nr. 559 Wolfram von Eschenbach, Nr. 560 Walter von der Vogelweide, Nr. 662 Gottfried von Strassburg, Akademie der Kunst und Philosophie / Académie des sciences

Nr. 320 Romanische Kunst und Architektur, Nr. 350 Byzantinische Kunst und Architektur, Nr. 325 Kunst und Architektur der Gothik, Nr. 326 Kunst und Architektur der Renaissance, Nr. 586 Tizian, Nr. 591 Paolo Veronese, Nr. 597 Correggio, Nr. 670 Annibale Carracci, Nr. 520 Rembrandt, Nr. 598 El Greco, Nr. 620 Giovanni Battista Tiepolo, Nr. 590 Giovanni Bellini, Nr. 656 Andrea Solari, Nr. 657 Bernadino Luini, Nr. 587 Andrea Mantegna, Nr. 595 Jan van Eyck, Nr. 635 Rogier van der Weyden, Nr. 640 Stefan Lochner, Nr. 646 Michael Pacher, Nr. 647 Peter Paul Rubens, Nr. 649 Giotto di Bondone, Nr. 626 Luca Signorelli, Nr. 610 Piero della Francesca, Nr. 596 Perugino, Nr. 522 Raffael (Raffaello Sanzio), Nr. 523 Sandro Botticelli, Nr. 602 Benozzo Gozzoli, Nr. 606 Fra Angelico, Nr. 607 Pinturicchio, Nr. 608 Domenico Ghirlandaio, Nr. 593 Filippo Lippi, Nr. 594 Filippino Lippi, Nr. 589 Albrecht Dürer, Nr. 603 Bernard van Orley, Nr. 615 Ambrogio da Fossano detto il Bergognone, Nr. 636 Eugène Delacroix, Nr. 639 Bartolomé Esteban Murillo, Akademie der Kunst und Philosophie



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Letzte Bearbeitung:14.03.2024